Menschen mit Behinderung, die Mindestsicherung oder andere Leistungen vom Staat beziehen, wurde kürzlich die erhöhte Familienbeihilfe gestrichen. Sie haben damit um rund 380 Euro weniger pro Monat. Behindertenvertreter gehen davon aus, dass Tausende betroffen sind und zwar nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. Das Familienministerium kündigte bereits eine Korrektur an.

Behinderte Menschen, die dauerhaft nicht erwerbsfähig sind, bekommen auch im Erwachsenenalter Familienbeihilfe und den sogenannten Erhöhungsbetrag ausbezahlt. Zuzüglich zur erhöhte Familienbeihilfe haben sie einen Anspruch auf die Mindestsicherung. Beides wurde ihnen bisher ausbezahlt.

"Völlig überraschend und ohne jegliche Vorankündigung oder Diskussion darüber hat das zuständige Bundeskanzleramt die bisherige Rechtsauslegung geändert und streicht in Zukunft wohl tausenden behinderten Personen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens", kritisierte der Vorsitzende der Länderkonferenz der Ombudsstellen für Menschen mit Behinderungen, Siegfried Suppan, die plötzlich geänderte Rechtsauslegung.

Rechtsauslegung bisher ignoriert

Hintergrund sind zwei Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 2013 und 2016, wonach Personen, deren Lebensunterhalt überwiegend durch die öffentliche Hand sichergestellt ist, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben sollen. Bei diesen Urteilen ging es um die Beschwerden eines subsidiär Schutzberechtigten, der Leistungen aus der Grundversorgung (als Mietzuschuss, Geldleistungen für Verpflegung und Bekleidung sowie Krankenversicherung) bezogen hatte sowie einen Häftling, dem während der Haft die Familienbeihilfe gestrichen wurde. Das Gericht entschied, dass ihnen keine Familienbeihilfe zusteht, weil sie bereits zur Gänze durch staatliche Leistungen versorgt werden.

Diese Rechtsauslegung wurde bisher ignoriert, behinderte Menschen bekamen weiter die erhöhte Familienbeihilfe bezahlt. Das hat sich nun aber unangekündigt geändert. "Menschen mit Behinderungen, die unter anderem deshalb gezwungen sind, öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, weil sie für ihre Arbeit in Einrichtungen und Betrieben der Behindertenhilfe nur geringfügige Taschengeldzahlungen erhalten, soll nun auch noch die Familienbeihilfe gestrichen werden. Ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben wird so kaum noch finanzierbar sein", kritisierte Suppan.

Mindestsicherungsbezieher betroffen

Betroffen seien hauptsächlich Mindestsicherungsbezieher, aber auch Menschen, die in Heimen untergebracht sind. Martin Ladstätter vom Behindertenberatungszentrum BIZEPS forderte im Gespräch mit der APA, dass die bisherige Praxis beibehalten und der Bezug der Familienbeihilfe nicht mit der Mindestsicherung verknüpft wird. Andernfalls würde man Tausende Menschen mit Beeinträchtigungen in die Armut stürzen.

Birgit Sandler, SPÖ-Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderung, warnte indes vor einer weiteren Verschlechterung, die auf Eltern behinderter Kinder zukommen könnte - nämlich für jene, deren Kinder in einer Einrichtung, etwa betreutem Wohnen, sind. Auch für diese könnte es dazu kommen, dass die erhöhte Familienbeihilfe gestrichen wird, informierte Sandler heute im Rahmen einer Pressekonferenz.

Derzeit ist es so, dass Eltern von behinderten Kindern, die etwa unter der Woche in einer Einrichtung sind, dann die erhöhte Familienbeihilfe bekommen, wenn sie von der Einrichtung eine Bestätigung haben, dass sie ihre Kinder an zwei Wochenenden im Monat bei sich zu Hause haben. "Es ist gerecht, dass es auch in diesem Fall die erhöhte Familienbeihilfe gibt, weil für diese Familien ja trotzdem höhere Kosten entstehen, auch wenn das Kind nur am Wochenende daheim ist - etwa für ein Pflegebett, barrierefreien Wohnraum, therapeutisches Material etc.", so Sandler. Hier sei nun offenbar eine Änderung geplant.

"Völlige Streichung"

Die Finanzämter wurden angewiesen, konkrete Rechnungen zu verlangen, die den finanziellen Aufwand für das Kind nachweisen. "Wenn die Rechnungen nicht die erhöhte Familienbeihilfe abdecken, kann es dann sogar zur völligen Streichung kommen. Es liegt dann im Ermessen des Finanzbeamten, ob dieses Kleidungsstück, jenes Paar Schuhe oder Spielzeug eine gerechtfertigte Ausgabe ist", so Sandler. "Wird diese Anweisung nicht zurückgenommen, würde das für Eltern behinderter Kinder eine massive Verschlechterung bedeuten. Vor allem für Alleinerzieher wäre das eine finanzielle Katastrophe." Sandler forderte von Finanz- und Familienministerium rasche Aufklärung, ob diese Änderung geplant sei. "Wenn ja, muss das ebenso sofort repariert werde!", fordert sie.

Das Familienministerium hat bereits eine Gesetzesreparatur angekündigt. Wie dieses genau aussehen wird, ist noch nicht bekannt.