An Tag 46 im Buwog-Prozess musste sich der Erstangeklagte, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, erneut den detailierten Fragen von Richterin Marion Hohenecker stellen. Sie hielt ihm auch heute Termineinträge, Protokolle und frühere Aussagen vor. Dem Minister wird Geschenkannahme durch Beamte, Fälschung eines Beweismittels sowie Bestimmung zur Untreue vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Das geschah am 46. Verhandlungstag

Die Richterin ist da, die Schöffen auch, es geht los. Im Gegensatz zu den letzten beiden Verhandlungstagen kann die Richterin in Ruhe mit ihrer Befragung beginnen, Anträge von Grassers Verteidiger gibt es heute offenbar keine. Zur Erinnerung: Am Dienstag zeigten sich diese empört über neue Akten, am Mittwoch wollten sie per Antrag das Live-Tickern aus dem Saal verbieten lassen.

Mit Bericht "ehrlich gesagt" nicht beschäftigt

Heute geht es um den Bericht des Rechnungshofes zum Buwog-Verkauf sowie um 22 parlamentarische Anfragen. Der Rechnungshof hatte ja in einem Bericht kritisiert, dass die Bundeswohnungen viel zu günstig verkauft wurden. Er habe sich damals "ehrlich gesagt" nicht mit dem Bericht beschäftigt, erklärte Grasser. Veröffentlicht wurde das Papier zudem erst nach seiner Amtszeit. Mit seinem Trauzeugen Walter Meischberger habe er nie über den Rohbericht gesprochen. Nur bei der Vorbereitung eines Misstrauensantrags sei dieser eingebunden gewesen. Peter Hochegger habe ihn damals aber beraten. Warum bekam Hochegger Aufträge vom Finanzministerium, Meischberger aber nicht, will die Richterin wissen. Meischberger habe nichts erhalten, weil sich Grasser nicht dem Vorwurf der Freunderlwirtschaft aussetzen wollte. Und Hochegger? "Der war nie mein Freund, Frau Rat."

Als der Endbericht 2010 veröffentlicht wurde, sei Grasser schon "im Auge des Orkans" gewesen. Die Ermittlungen liefen damals bereits, auch die Medien berichteten. Und überraschend schließt die Richterin schon um 15:40 die Verhandlung. Am 1. August geht es weiter.

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Buwog-Verkauf "bestmögliches Ergebnis für Republik"

Meischberger habe Grasser damals beraten - unentgeltlich, wie dieser ausgesagt hatte. "Das ist vollkommen richtig", bestätigt Grasser. Denn sein damaliger Freund habe sich immer für Politik interessiert und das sehr gerne gemacht. "Er hat das also für den Staat gemacht", fragt die Richterin. Ja, sagt Grasser, seine Beratung sei "ein Dienst an der Republik" gewesen.

Es geht ums Eingemachte: Hohenecker will wissen, ob die Privatisierung der Bundeswohnungen nicht in einzelnen Teilen mehr Erlös gebracht hätte als der Verkauf im Gesamtpaket? Grasser ärgere sich über diesen Vorhalt der Staatsanwaltschaft, kein Experte habe das je bezweifelt. "War der Verkauf also ein Erfolg für die Republik?" Grasser: "Ja", man habe mit dem Erlös eine Milliarde Euro an Staatsschulden zurückzahlen können. Er habe alles dafür getan und "das bestmögliche Ergebnis für die Republik erbracht". 

"Supersauber"

Gegenüber der Presse habe Grasser damals den Verkauf als "supersauber" bezeichnet, "weil er das war". Heute würde er den Begriff aber nicht mehr verwenden, "und das nicht, weil er nicht zutrifft, sondern weil er persifliert wurde". Ob Meischberger zu dieser Zeit Grassers wichtigster Berater war, will die Richteirn wissen. "Er war ein wichtiger Berater, aber nicht der wichtigste." Und dennoch habe er gratis beraten, so Hohenecker. "Es muss ja nicht immer um's Geld gehen, Frau Rat." Es habe damals schlicht "kein Mastermind hinter dem Finanzminister" gegeben.

Die beiden Oberstaatsanwälte Marchart (l.) und Denk hören aufmerksam zu.
Die beiden Oberstaatsanwälte Marchart (l.) und Denk hören aufmerksam zu. © APA/HERBERT NEUBAUER

Scharmützel zwischen Grasser, Hochegger und Richterin

Die Richterin lässt eine E-Mail des Ex-Lobbyisten und teilgeständigen Drittangeklagten Peter Hochegger an die Wand projizieren. "Ich muss gestehen, Frau Rat", fängt Hochegger (provokant) an, "dass diese E-Mail nicht von mir stammt." "Nicht überall, wo Peter Hochegger drauf steht, ist Peter Hochegger drin", witzelt Grasser. "Aber auch nicht überall, wo KHG drauf steht, ist KHG drin", antwortet die Richterin und sorgt damit für Gekichere im Saal.

Als ihn die Richterin erneut auf die 9,6 Millionen Euro Buwog-Provision und die 200.000 Euro Terminal Tower Provision anspricht, antwortet Grasser mit ernster Miene: "Ich habe aus beiden Vergaben keinen Vorteil gezogen." Haben Sie sich nicht geärgert, dass Sie da reingezogen wurden, will die Richterin wissen. Ja, er habe sich geärgert, dass er nichts davon wusste und "dass keine Steuern bezahlt wurden". Deshalb habe sich die Freundschaft zu Meischberger ja auch "geändert".

Erneute Medienkritik

Nach einem kurzen Vormittagspäuschen meldet sich dann doch Grasser-Verteidiger Norbert Wess zu Wort - mit einer erneuten Medienkritik. Der Standard-Ticker habe etwas falsch wiedergegeben, deshalb will Wess erneut seinen gestrigen Antrag unterstreichen, dass die Live-Berichterstattung aus dem Gerichtssaal untersagt werden soll. Die Richterin geht nicht darauf ein und macht weiter mit ihrer Befragung.

Es geht wieder um die Provisionen und deren aufwändigen Weg über das Ausland. Grasser habe dazu keine Wahrnehmungen. Auf dem Konto der Mandarin AG mische sich das Geld von Grassers Schwiegerfamilie, Norbert Wickis Geschäften (Anm. Schweizer Treuhänder, heute Angeklagter) und ein Teil der Buwog-Provision. Grasser sehe hier keine Vermischung. "Was habe ich mit der Mandarin AG zu tun? Ich habe einee Überweisung getätigt." Dieser Vorhalt habe aus seiner Sicht also nichts in der Anklageschrift verloren. Auch Meischberger mischt sich ein: "Wenn sich die Gelder vermischen - na, und?" Wicki ist übrigens nicht anwesend, er fehlt krankheitsbedingt schon länger.

Grasser wünsche sich, dass alles anders gekommen wäre. Aber er habe von den Vorgängen nichts gewusst.

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"Kriminalromane"

Dann spricht die Richterin Grasser auf einen Punkt an, der sich in der Anklageschrift besonders spannend liest: seine Teilnahme an den Besprechungen mit Anwalt Gerald Toifl (heute ebenfalls angeklagt), nachdem die Buwog-Causa Wellen geschlagen hatte. Seine Teilnahme sei "das Normalste auf der Welt" gewesen, "die Kriminalromane, die die Staatsanwaltschaft daraus gemacht hat", habe er nie verstanden. Er habe schlicht wissen wollen, was passiert, da er ja keine Akteneinsicht gehabt habe. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Toifl soll mittels Scheinrechnungen geholfen haben, die Zahlungsflüsse zu verschleiern. Der bestreitet das. Für Toifl belastend ist hingegen eine E-Mail, die er an einen Kanzleikollegen geschickt hat. “lies die mal die geschichte vom sankholkar (Anm. Journalist im Format), sie stimmt, betrug, amtsmissbrauch, untreue, eigene straftatbestaende im vergabeverfahren? da rollt einiges auf uns zu….”.

Grasser sagt heute, dass er sich damals mehr mit den Vorgängen beschäftigen hätte sollen. Dann hätte er vielleicht die Staatsanwaltschaft davon überzeugen können, dass die Vorwürfe haltlos sind. "Ich sehe mich als unschuldig in dieses Verfahren hineingezogen." Zur Freundschaft zu Meischberger gab Grasser an, von Februar 2010 bis vor dem Prozessauftakt keinen Kontakt mit Meischberger gehabt zu haben.

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"Wohlfühlen"

Nach der Mittagspause geht es weiter, Grasser nimmt wieder vor der Richterin Platz. Es geht nun warum, dass der Angeklagte damals abgehört wurde. "Welchen Unterschied macht das für Sie, ob Sie abgehört werden oder nicht?" Es sei schlicht eine Frage "des Wohlfühlens". Meischberger sei ja damals davon ausgegangen, dass man Wertkartenhandys nicht abhören kann "und er wurde eines Besseren belehrt", sagt die Richterin. "Ich erspare mir hier einen Kommentar", sagt Grasser und grinst. "Warum?" "Weil mir gerade nichts einfällt."

Es geht weiter mit früheren Aussagen Grassers. Er habe sich bei seiner ersten Einvernahme "wie ein Schwerverbrecher" gefühlt, es herrschte eine "negative Energie" im Raum. Es sei damals "naiv" gewesen, weil er gedacht habe, alles aufklären zu können.

"Pass auf, du nimmst das Geld"

Und wieder geht es ums "Schwiegermuttergeld". Diese wollte die 500.000 Euro ihm und seiner Frau schenken, er habe das aber nicht annehmen wollen. Es sei also nur an seine Frau gegangen. Aber die Schwiegermutter, "das Oberhaupt der Familie", habe ihn beauftragt, das Geld anzulegen. "Sie haben gesagt: Pass auf, du nimmst das jetzt und veranlagst es bitte für uns." Warum er damals nicht vom "Geschenk" erzählt hat, will Hohenecker wissen. Es sei eine "familieninterne Sache" gewesen, "ich habe da eine gewisse Schutzfunktion für meine Familie übernommen".

Es sei übrigens auch die Schwiegermutter gewesen, die ihm geraten habe, den Vermögensberater (und heutigen Angeklagten) Norbert Wicki zu engagieren. Damit kommen wir wieder zur Mandarin (Briefkastenfirma in Belize), zur der das Geld (inkl. Anlagegewinn) geflossen ist. Das müsse man vor dem Hintergrund sehen, erklärt Grasser, dass zur Zeit der damaligen Finanzkrise jeder Sorgen um die Sicherheit seines Geldes gehabt habe.

Es geht weiter mit früheren Aussagen, die Richterin liest vor und stellt Fragen, wenn sie welche hat. Grasser antwortet ruhig, aber er wirkt nun etwas müde. Dann will Hohenecker wissen, warum man Meischberger und Hochegger rund 10 Millionen Euro Provision zahlen sollte, wenn die von ihnen beschafften Infos für das Bieterverfahren zur Buwog-Vergabe öffentlich bekannt waren. Das könne er nicht beantworten, sagt Grasser.

Die Richterin beendet den Verhandlungstag früher als gedacht, am 1. August geht es weiter.