Gut ein halbes Jahr und 43 Sitzungstage ist der Buwog-Prozess rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 13 weitere Angeklagte bereits alt. Vor vier Wochen nahm der Hauptangeklagte Grasser erstmals vor Richterin Marion Hohenecker Platz, heute – am 44. Verhandlungstag – setzte sie seine Befragung fort.

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Die Angeklagten und ihre Verteidiger haben sich bereits eingefunden, die Richterin ist da, es geht los. Als sie mit ihren Fragen beginnen will, meldet sich Norbert Wess zu Wort - mit einem Antrag. Wess zeigt sich empört, weil den Verteidigern eine E-Mail geschickt wurde - mit einem mehr als 1000 Seiten starken Anhang. Dabei handelt es sich um Material, das von Anwalt Gerald Toifl (ebenfalls angeklagt) sichergestellt wurden. Seit elf Monaten seien die Unterlagen unbeachtet herumgelegen, erst jetzt seien sie an die Verteidiger weitergeleitet worden. Es werde also während des Prozesses weiter ermittelt, um "die Anklage weiter zu füttern".

Grassers Anwälte Ainedter und Wess (r.)
Grassers Anwälte Ainedter und Wess (r.) © APA/ROLAND SCHLAGER

Neues Beweismaterial

Da Grasser bereits zu diesem Zeitpunkt befragt wurde, seien die Rechte seines Mandanten beschnitten worden. Denn es sei keine Zeit geblieben, das Material zu sichten und in der Befragung darauf zu reagieren. Die Verteidiger wollte daraufhin eine Vertagung, doch Grasser habe sich dagegen ausgesprochen. Zudem kritisiert Wess, der schnell und sichtlich aufgebracht spricht, dass die Unterlagen (die offenbar neues Beweismaterial enthalten) auch an die Schöffen weitergeleitet wurden.

Der Antrag lautet: Die Richterin möge nun prüfen, ob die Staatsanwaltschaft mit diesem Vorgehen gegen das Gesetz verstoßen hat und ob den Verteidigern genug Zeit eingeräumt wurde, um die neuen Unterlagen genau zu prüfen. Auch Toifls Anwalt meldet sich zu Wort, es gebe ein Beweismittelverwertungsverbot, die Unterlagen sollen zurückgezogen und vernichtet werden.

Grasser-Prozess: Befragung von Ex-Finanzminister geht weiter

Staatsanwaltschaft zeigt sich gelassen

Oberstaatsanwalt Alexander Marchart zeigt sich unbeeindruckt von den schweren Vorwürfen, die Staatsanwaltschaft habe sich auf rechtlich sicherem Boden bewegt. Es sei schlicht die Argumentation der Verteidigung, hier eine Gesetzeswidrigkeit zu monieren. Die Auswertung sei also zulässig.

Der Senat zieht sich zurück - und zwar ganz schön lange. Die Sitzung wird bis 11.15 Uhr unterbrochen.

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Die Zuschauertribüne, die 48 Interessierten Platz bietet, ist heute übrigens voll besetzt. Grassers Anwalt Manfred Ainedter zeigte sich in der Pause erbost über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. In den neu aufgetauchten Unterlagen finde sich nichts Belastendes für seinen Mandanten, "aber die Verteidiger können sich das nicht bieten lassen".

Antrag abgewiesen

Es geht los, die Richterin ist da - und weist einen alten Antrag von Toifls Anwalt ab. Denn bei dem Angeklagten gehe es auch um Beweismittelfälschung. Was den heutigen Antrag und jenen von Grassers Anwälten betrifft: Hohenecker behält sich hier ihre Entscheidung vor. Die Anwälte hätten zu jeder Zeit Einsicht in die Akten. Da auch die Richterin nicht dazu gekommen ist, die 1000 Seiten zu studieren, geht es jetzt ohne diese Unterlagen weiter. Grasser bestätigt erneut, dass er einer Befragung zustimmt und damit geht es jetzt endlich los. Was mit den beiden Anträgen nun passiert, ist unklar.

Zuerst will der ehemalige Minister jedoch noch eine Ergänzung zu seinen letzten drei Befragungen liefern. Er will noch einmal erklären, warum die berühmte Information über die 960 Millionen für den Buwog-Verkauf gar nicht entscheidend waren. Die Interpretationen der Staatsanwaltschaft seien "eindeutig falsch".

Der Zweitangeklagte Meischberger folgt den Ausführungen Grassers aufmerksam.
Der Zweitangeklagte Meischberger folgt den Ausführungen Grassers aufmerksam. © APA/GEORG HOCHMUTH/APA-POOL

Strenge Schwiegermutter

Es geht wieder um das berühmte Schwiegermutter-Geld. Hohenecker will wissen, warum er das Geld der Schweizer Schwiegermutter auf ein österreichisches Konto (bei der Meinl Bank) angelegt hat? "Weil ich ein Österreicher bin." Hier lebe er, "und mein Netzwerk sind österreichische Banken". Hier sei er sich sicher, dass das Geld gut aufgehoben ist. Wir erinnern uns: Grasser war damals mit Banker Julius Meinl gut bekannt.

Alles sei damals "gesetzeskonform" abgelaufen, zudem habe diese "familieninterne Angelegenheit" nichts mit der Buwog zu tun. Während die Richterin weiterhin nachbohrt und Grasser erklärt, schallt ein lautes Handyklingeln durch den Saal. Es kommt von Ainedters Handy, der sich entschuldigt. "Na!", ruft die Richterin. "Das hat mich jetzt irritiert." Grasser fügt hinzu: "Mich auch". Ainedter entschuldigt sich noch einmal und grinst.

Lachen im Saal

Bei seiner Erklärung der Veranlagung des Schwiegermutter-Geschäftes sorgt der ehemalige Minister für kurzes Lachen im Saal. Er habe damals ohnehin keine Freude damit gehabt, dass er das Geld für seine Schwiegermutter veranlagen sollte. "Denn es ist nicht mein Geld und es war nicht mein Geld." Zur Erinnerung: Es ging um eine halbe Million Euro. Warum er es dann doch getan hat? "Wenn Sie meine Schwiegermutter kennen würden, würden Sie wissen, dass es keinen Widerspruch in dieser Frage gab", sagt Grasser. Gelächter im Saal. 

Richterin Marion Hohenecker, die erneut ganz genau nachfragt.
Richterin Marion Hohenecker, die erneut ganz genau nachfragt. © APA/GEORG HOCHMUTH/APA-POOL

Die Idee, das "Schwiegermutter-Geld" in Hypo-Genussscheine zu investieren, "kam von mir", sagt Grasser. Aus den 500.000 wurden schließlich 780.000 Euro. "Am Ende des Tages war ich durchaus ein bisschen stolz", gibt der heutige Erstangeklagte zu. Er sei damals nervös gewesen, es wäre ihm "im hohen Maße unangenehm" gewesen, das Geld der Schwiegermutter zu verlieren. Zudem beteuert Grasser erneut: "Mir ist nie ein Cent dieses Geldes zu Gute gekommen."

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft sei "unlogisch", denn das veranlagte Geld sei ja wieder bei seiner Schwiegermutter gelandet. "Warum sollte ich, wo ich aus einfachen Verhältnissen stamme, der vermögenden Familie meiner Frau 784.000 Euro schenken?", fragt Grasser die Richterin mit hochgezogenen Augenbrauen. Der Ex-Minister wird lauter und verfällt in einen ganz leichten Kärntner Dialekt.

Richterin tadelt Grasser

Die Richterin gönnt Grasser eine kurze Mittagspause, um 13.50 Uhr geht es weiter - mit weiteren Details zur Schweizer Ferint AG, die Konten bei der Meinl-Bank hatte. Und dann gibt es einen kleinen Disput zwischen Grasser und der Richterin. Grasser zeigt sich unzufrieden, dass die Richterin ihm etwas vorhält, das er aus seiner Sicht bereits mehrfach aufgeklärt habe. Hohenecker reagiert scharf: Die Verfahrensführung sei ihre Sache, er könne sich ja auch weigern, ihre Fragen zu beantworten, "wenn Ihnen die Fragen nicht gefallen". Grasser bedankt sich kleinlaut für die "Aufklärung".

Die anwesenden Journalisten haben übrigens schon wieder ihre Jacken eingepackt - es ist eisig kalt im Saal. Während Grasser weiter antwortet, wirft Anwalt Ainedter etwas ein. Die Richterin schaut ihn böse an: "Herr Ainedter, die Unterbrechung der Befragung des Angeklagten ist ungebührlich." Ainedter schweigt umgehend.

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Grasser macht kein Online-Banking

Während seiner Befragung erfahren wir: "Ich mache kein Online-Banking", sagt Grasser. "Wenn du einen Hacker hast und der dein Passwort knackt, bekommt du von der Bank kein Geld zurück. Deshalb mache ich das nicht." Dann geht es wieder um fehlende Verträge, unter anderem geht es wieder um das Schwiegermutter-Geld. Es komme "bis heute immer wieder vor, dass mich meine Frau um etwas bittet". Er sei deshalb nie auf die Idee gekommen, bei solch familiären Dingen Verträge abzuschließen.

Und wieder klingelt ein Handy, Ainedter hebt die Hände. Diesmal ist es der Zweitangeklagte Walter Meischberger, der das Handy ausschaltet. Grasser merkt an, dass man beim Handy einen Flugmodus einschalten kann. "Na Handyschulungen gibt es hier keine", sagt die Richterin und macht weiter.

Wir sind tief in den Details rund um die Ferint AG. Grasser, der vor einem dicken Ordner mit Unterlagen sitzt, wirkt nach gut sechs Stunden Verhandlung müde. Das dürfte auch die Richterin bemerkt haben. Um 16 Uhr schließt sie - früher als geplant - die Sitzung.

Die beiden Oberstaatsanwälte Marchart und Denk
Die beiden Oberstaatsanwälte Marchart und Denk © APA/ROLAND SCHLAGER

Grasser drohen bis zu zehn Jahre Haft

Grasser wird Geschenkannahme durch Beamte, Fälschung eines Beweismittels sowie Bestimmung zur Untreue vorgeworfen. Der ehemalige Minister steht im Verdacht, bei der Privatisierung der Bundeswohungen (Buwog) sowie bei der Einmietung der Finanz in einen Büroturm am Linzer Bahnhof Schmiergeld kassiert zu haben. Das Geld soll über seinen Trauzeugen und heutigen Mitangeklagten Walter Meischberger an ihn geflossen sein. Grasser und Meischberger bestreiten das beide vehement, für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Im Falle einer Verurteilung würden dem einstigen Spitzenpolitiker Grasser bis zu zehn Jahren Haft drohen.

Drei Verhandlungstage sind für diese Woche angesetzt. Der nächste folgt am 1. August, bevor der Prozess in eine Mini-Sommerpause geht. Am 18. September wird weiterverhandelt.

Moser: "Verstricken sich in Widersprüche"

Für Gesprächsstoff unter den Angeklagten dürfte heute vor allem ein Interview mit der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gabriela Moser sorgen. Im Gespräch mit der APA erklärte Moser, die mit ihrer Sachverhaltsdarstellung im Jahr 2009 die Untersuchung der Buwog-Privatisierung ins Rollen gebracht hatte, äußerte sich darin wenig begeistert von der bisherigen Vorstellung der Angeklagten. „Sie ufern aus und verstricken sich in Widersprüche, sie versuchen uns ein X für ein U vorzumachen.“ Die einzig „positive Überraschung“ sei das Teilgeständnis von Ex-Lobbyist Peter Hochegger gewesen. Dieses halte Moser für glaubwürdig, sonst „würde er sich ja unnötig selbst belasten“. Hochegger hatte Grasser zu Beginn des Prozesses massiv belastet und damit die Annahmen der Staatsanwaltschaft bestätigt.

Grasser selbst bestreitet bisher, in beiden Fällen finanziell profitiert zu haben. Die Richterin wird ihn dazu auch heute weiter ausführlich befragen. Um 9.30 Uhr geht es los.