Am 36. Verhandlungstag setzte Richterin Marion Hohenecker die Befragung von Walter Meischberger fort. Diesem wurden Einträge aus seinem Tagebuch sowie Einvernahmeprotokolle und Aktenseiten vorgehalten. Meischberger gab in seinen Aussagen zahlreiche spannende Einblicke in die Zeit um 2009 - und in das sich zusehends verschlechternde Verhältnis zu seinem damals "engsten Freund" Karl-Heinz Grasser. Lesen Sie hier die detaillierte Nacherzählung des Prozesstages.

Das war der 36. Verhandlungstag

Auch heute muss Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger wieder vor Richterin Marion Hohenecker Platz nehmen. Am 36. Verhandlungstag des Buwog-Prozesses geht es weiter mit Meischbergers berühmten Tagebuch. Bei der gestrigen Verhandlung hatte dieser launig daraus vorgelesen. Es ging dabei unter anderem um "aggressive Stimmungen" und das Zerwürfnis mit Grasser. Das Tagebuch wird auch heute auf die Wand projiziert, Meischbergers große und deutliche Schrift ist zu sehen. Er beginnt zu lesen.

"Wie die Jungfrau zum Kind"

Er zeigte sich im Eintrag aus dem Jahr 2009 verstimmt über Grassers öffentlich abweisende Haltung ihm gegenüber, als die Provisionszahlungen publik wurden. Er habe ihn dafür verantwortlich gemacht, dass Grasser nun in den Medien war, erklärt Meischberger. Grasser sei deshalb "stark verstimmt" gewesen, er habe ihm gesagt, er sei dazu "wie die Jungfrau zum Kind" gekommen. "Ihr macht eure Geschäfte und ich leide darunter", habe Grasser gesagt.

"Wie hätte er sonst reagieren sollen", fragt die Richterin. Die Abweisung sei nachvollziehbar gewesen, räumt Meischberger ein. Grasser habe damals mit der öffentlichen Distanzierung zu ihm aber nicht Meischbergers Ruf bedacht. Zudem sei er mit der Reaktion Grassers unzufrieden gewesen, weil er nichts Unrechtes getan habe. Die schlechte Stimmung zwischen den einst guten Freunden sei damals auf ihrem Höhepunkt gewesen.

Der Hauptangeklagte Karl-Heinz Grasser verfolgt die Schilderungen Meischbergers - wie immer - mit steinerner Miene und macht sich eifrig Notizen.
Der Hauptangeklagte Karl-Heinz Grasser verfolgt die Schilderungen Meischbergers - wie immer - mit steinerner Miene und macht sich eifrig Notizen. © APA/GEORG HOCHMUTH

Grasser habe "keine Große Freude" gehabt

Er sei damals zwar Grassers Berater gewesen, über seine andere Tätigkeiten als "strategischer Kommunikator" habe er aber nicht mit ihm gesprochen. Er habe ihm aber gesagt, dass er neben seiner Beratertätigkeit für den damaligen Minister "auch einen Brotberuf" habe. Er hätte Grasser auch für seine Geschäfte "nicht einspannen" können. Meischberger zeigte mehrfach Verständnis für die damalige Stimmung zwischen ihm und Grasser. "Ich verstehe auch heute noch, dass er keine große Freude hatte damit, was dann geschehen ist. Dass wir heute da sitzen".

Beim nächsten Eintrag geht es um die sich damals verdichtenden Angriffe auf seinem "väterlichen Freund" Plech. Diesen sei es damals schlecht gegangen, er habe sich Sorgen gemacht, weil er zuvor nie in der Öffentlichkeit war. Zu dieser Zeit habe man auch versucht, "Ordnung in das Chaos" zu bringen, auch im Bezug auf die Selbstanzeige. "Ich hatte den Überblick nicht", gibt Meischberger zu. "Ich hatte plötzlich 6,9 Millionen Euro Steuerschulden, bei einem Umsatz von vier Millionen. Ich hab mich gefragt, wo wir in Zukunft wohnen werden", so beschreibt Meischberger seine damaligen Gedanken.

Meischberger, Grasser und Grasser-Anwalt Wess unterhielten sich vor Beginn des Prozesstages angeregt.
Meischberger, Grasser und Grasser-Anwalt Wess unterhielten sich vor Beginn des Prozesstages angeregt. © APA/GEORG HOCHMUTH

"So viel Menschlichkeit überwältigt mich"

Nach 20 Minuten Pause geht es weiter - auch mit einem Hinweis zur Erinnerung: Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen ist nur der teilgeständige Ex-Lobbyist Peter Hochegger. Der trägt heute - ungewöhnlich, da sonst eher leger - Hemd und Sakko. Meischberger liest den nächsten Tagebucheintrag vor: "Heute war ein Tag mit vielen Aufs und Abs", beginnt der Eintrag. Auch der Satz "die mediale Situation entspannt sich zusehends", ist auf der Leinwand zu lesen. Etwas später lesen wir: "Der Staatsanwalt sagt meinen Ibiza-Kurztrip ab und ich verliere meine Geldtasche! Passt alles zum Wetter: 5 Grad. Schneefall. Sturm." Die gute Nachricht folgt wenig später: "Ich bekomme meine Geldtasche zurück. So viel Menschlichkeit überwältigt mich, in Zeiten wie diesen."

In einem weiteren Eintrag schrieb Meischberger nieder, dass sich die Situation weiter entspannt. Er habe den Auftrag gegeben, Foren zu bearbeiten, "ich muss mit der Image-Reparatur beginnen." Seine Freunde halten jedoch zu ihm, "eine schöne Erfahrung".

"Schwer zu erklären"

Am 19. Oktober 2009 habe man sich wieder zu einer "großen Runde" mit Anwalt Gerald Toifl getroffen, um die "Problematik" der damaligen Situation zu besprechen - und darum, einen Schriftsatz aufzustellen, den der Staatsanwalt verlangt habe. Auch Grasser sei hier dabei gewesen. "Der Sukkus der wirklichen Gefahren ist zu behandeln", notiert Meischberger. Damit sind die "Mandarin-Überweisung" und der "Immobilienfonds" gemeint. Das sei "schwer zu erklären" gewesen, sagt Meischberger heute. Und dann kommt es zu dem berühmten Satz im Tagebuch: "Verträge sind 'zu finden" und abzustimmen". Die Anklage sieht hier einen Beweis für nachträglich angefertigte Unterlagen. Es ging dabei aber darum, Dinge zu finden, und nicht zu erfinden, "wie die Staatsanwaltschaft mir das unterstellt", erklärte Meischberger.

Das sind übrigens die gemeinten Staatsanwälte:

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Zwischen den Tagebucheinträgen hält die Richterin Meischberger immer wieder Protokolle und Aussagen vor, die dieser bereits abgegeben hatte. Im Laufe der Befragung werden auch noch Aufnahmen von den abgehörten Telefonaten im Saal abgespielt werden, auf denen auch Grasser zu hören sein wird.

Wieder geht es um den "väterlichen Freund Plech". Dieser sei großzügig und hilfsbereit gewesen. "Aber wenn es um seine Immobilien geht, ändert sich das." Denn er habe seine Immo-Investmens hergeben wollen, für das Zahlen der Schulden. "Ich habe einfach Angst gehabt, weil ich das Geld schnell gebraucht habe." Das sei für Plech aber nicht ideal gewesen. Plech dürfte übrigens aus dem Prozess ausscheiden, er ist schwer erkrankt und seit Monaten nicht mehr anwesend.

Nach der Mittagspause geht es weiter. Meischberger hat wieder Platz genommen. Es geht weiter mit dem Tagebuch - worin er den ebenfalls angeklagten Wicki als einen der "abgehobenen Berater des KHG" bezeichnet hatte. Wicki kann darauf nicht reagieren, er ist aus Krankheitsgründen abwesend. Meischberger stellt immer wieder Dinge klar, wie er anders gemeint habe, als es sich in seinen Einträgen liest. "Deswegen gehen wir diese Tagebucheinträge ja - manche sagen in epischer Breite - durch", sagt Hohenecker. Meischberger sei dankbar dafür, denn Medien und Staatsanwaltschaft hätten ja in der Vergangenheit zahlreiche Dinge in sein Tagebuch hinein interpretiert.

Richterin Hohenecker hört aufmerksam zu:

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Lautes Gelächter im Saal

Und dann sorgt Meischberger für lautes Gelächter im Gerichtssaal. Er liest eine Passage aus seinem Tagebuch zu einer Diskussionssendung vor. Dort sei auch "Falter"-Chef Florian Klenk gesessen. Dazu hat Meischberger geschrieben: "Der gefällt mir immer besser." Viele im Saal lachen. Und dann fügt Meischberger hinzu: "In  der Retrospektive ist das wirklich lustig." Die im Saal Anwesenden brechen in schallendes Gelächter aus. Denn Meischberger gilt heute nicht gerade als Fan des Journalisten.

Ebenfalls für amüsierte Blicke sorgte der Eintrag zu einem ehemaligen FPÖ-Kollegen. Dieser habe ihn scharf angegriffen, Meischberger notierte dazu: "Der NDP Typ und Alkoholiker hat es notwendig!"

Es geht weiter mit Klagen über den "medialen Wahnsinn", der sich im Oktober 2009 abgespielt habe. "Die wollen offensichtlich die persönliche Vernichtung herbeischreiben." Er selbst tendierte in seinen Notizen zu einem Interview im "Format", um Hocheggers Darstellungen von damals im "Profil" zu widersprechen.

Scharfe Worte gegen Grasser

Der Eintrag am 25. Oktober enthält einige scharfe Worte gegen Grasser. Dieser habe dessen "vermeintlichen Busenfreund Fellner" ("Österreich) ein "vollkommen unnötiges Interview" gegeben. "Die xte Unschuldsbeteuerung, die deshalb nicht glaubwürdig ist." Und etwas später: "Ich habe gute Lust, ihm meine Freundschaft wirklich aufkündigen. Ernsthaft."

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"Die gfallt Ihnen, die Doppelseite, gell?", fragt Meischberger die schmunzelnde Richterin. Meischberger darf verschnaufen, 15 Minuten Pause. Dann wird ihm die Verdachtsmeldung der Hypo in Liechtenstein vorgehalten. Die Richterin geht Absatz für Absatz mit Meischberger durch, es geht unter anderem um Einzahlungen auf die berühmten Konten, z.B. "Natalie". Meischberger widerspricht vielem davon.

Die Richterin ermahnt murmelnde Besucher: "Auch, wenn Sie auf der Galerie sitzen: Wir hören Sie und das ist störend." Seither herrscht andächtige Ruhe auf den Besucherplätzen.

Zurück zum Tagebuch, das Meischberger "Notizbuch" nennt. Es geht um besagtes Interview, das "so nicht zu akzeptieren war" und das er und sein Mitarbeiter "umgeschrieben" hatten. Dann geht es um das gemeinsame Büro, dass Meischbeger mit Grasser gemeinsam gehabt hatte. Wie dessen Schreibtisch ausgesehen habe, will die Richterin wissen? Normal, sagt der Angeklagte, "er war aber ohnehin kein Schreibtisch-Arbeiter". "Ja", ruft Grasser und grinst. Mit dem Interview sei Meischberger dann zurfrieden gewesen, die erhoffte Ruhe trat jedoch nicht ein.

"Wird alles schwierig zu erklären"

In den nächsten Tagen erreichen Meischberger laut Tagebuch immer wieder "Hiobsbotschaften". Er habe erfahren, dass sich der Staatsanwalt Wolfgang Brandstetter (Anm. späterer Justizminister) in die Causa Buwog "verbissen" habe und dass die Hypo Liechtenstein der Finanz alles gemeldet hatte. "Wird alles schwierig zu erklären", schreibt Meischberger in das Buch nieder. Plech habe damals zudem "gezickt", als es darum ging, Immobilieninvestitionen aufzulösen. Aber er habe es dann verstanden.

Bevor die Richterin zum nächsten Eintrag springt, schließt sie die Sitzung. Morgen wird der Prozess fortgesetzt.

Was am 35. Verhandlungstag passiert ist

Der Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) und andere lieferte Dienstagnachmittag wieder Einblicke in die Stimmung der Angeklagten im Herbst 2009, als die Korruptionsvorwürfe bei der Privatisierung der Bundeswohnungen aufkamen. So sprach Walter Meischberger bei einer Einvernahme beim Staatsanwalt im Oktober 2009 davon, dass Grasser "durchdrehte".

Das Verhältnis zwischen Grasser und ihm sei damals schwierig gewesen, obwohl Grasser einer seiner besten Freunde sei, sagte Meischberger heute. Deswegen habe er eine eidesstattliche Erklärung verfasst und darin festgehalten, dass Grasser nichts mit seinen, Meischbergers, Geschäften bei der Buwog zu tun gehabt habe. Grasser habe nämlich erst im Herbst 2009 davon erfahren, dass Meischberger und Peter Hochegger eine Millionenprovision bei der Buwog-Privatisierung kassiert hatten, sagte der Zweitangeklagte Meischberger.

Aber auch Meischberger selber will erst im Herbst 2009 erfahren haben, dass er dieselbe Briefkastenfirma wie Grasser genutzt habe. Er habe bis zu einer Besprechung im Herbst 2009 mit Grasser und Anwälten ("große Runde") gar nicht gewusst, dass er und Grasser genau dieselbe Gesellschaft, nämlich die "Mandarin", für ihre Geschäfte genutzt hätten. Er habe Geschäfte mit einem Schweizer Vermögensberater gemacht, den ihm Grasser empfohlen habe, weil er jahrelang für die Swarovski-Familie gut gearbeitet habe. Dabei handelte es sich um Norbert Wicki, der jetzt im Prozess mit angeklagt ist. In einer Einvernahme im Herbst 2009 hatte Meischberger allerdings etwas anderes gesagt, nämlich dass ihm sein Bankberater diesen Vermögensverwalter empfohlen habe.

Richterin Marion Hohenecker hielt Meischberger heute weitere frühere Aussagen vor der Finanz und der Staatsanwaltschaft vor, die von seinen im laufenden Prozess gemachten Aussagen deutlich abweichen. Da habe er "strategisch" ausgesagt, meinte Meischberger einmal, als er auf die Widersprüchlichkeit seiner Angaben hingewiesen wurde.