Die Koalitionsparteien haben sich am Pfingstwochenende wie erwartet auf die Reform der Sozialversicherung geeinigt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben heute die Eckpunkte heute vorgestellt. Angestrebt wird u.a. eine Fusion der derzeit 21 Sozialversicherungen auf maximal fünf.

Präsentiert wurde allerdings noch kein fertiges Gesetz, sondern eine Punktation - also die Zusammenfassung der vereinbarten Eckpunkte. Das Gesetz soll bis Herbst folgen.

Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik auf die Pläne der Regierung, mehr dazu lesen Sie hier.

"Größte Reform der Geschichte"

"Eines der größten Reformprojekte in der Geschichte Österreichs" werde man heute präsentieren, erklärte Kurz zu Beginn der Pressekonferenz. Schon vor Jahrzehnten habe die Weltgesundheitsorganisation festgestellt, dass das aktuelle Kassensystem nicht gut sein, "50 Jahre lang" habe es hier keine Reform gegeben. Nun werde sie aber angegangen. Es sei keine Gesundheits-, sondern eine Strukturreform. Bei den Funktionären und Direktoren solle es zum Beispiel eine starke Reduktion geben, das neue System werde zu mehr Gerechtigkeit führen.

Wo die "Österreichische Gesundheitskasse" stehen soll, ließ Kurz offen. Hinter den Kulissen verlautete bereits gestern gegenüber der Kleinen Zeitung, dass die ÖGK in Linz angesiedelt werden könnte. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer hat diese Variante in Spiel gebracht, Kurz und Strache stehen dem Vorhaben wohlwollend gegenüber. Entschieden soll diese Frage erst in den nächsten Wochen.

Regierung präsentierte Reform der Sozialversicherungen

Es sei bisher nur diskutiert und nichts getan worden, erklärte Vizekanzler Strache. Es könne nicht sein, dass "bei gleichen Beiträgen unterschiedliche Leistungen angeboten werden". Das aktuelle System sei eine Zwei-Klassen-System mit "überbordender Verwaltung", kritisierte Strache. Selbstverwaltung und regionale Steuerung solle es weiterhin geben, jedoch bei maximal fünf Sozialversicherungen - zusammengefasst in einer "Österreichischen Gesundheitskasse". Eine Milliarde könne so eingespart werden - über mehrere Jahre, erklärte der Vizekanzler. Es brauche jetzt zügige Arbeit und keine falschen Aussagen über geschlossene Krankenhäuser. Und auch kein "ängstliches Festhalten an alten Strukturen". Wie es mit der AUVA weitergeht, ist weiterhin unklar. Die Einrichtung hat bis 31. August Zeit, drastische Einsparungen umzusetzen. Ende des Jahres werde man mehr sagen können, erklärte Kanzler Kurz.

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein bedankte sich bei allen Verhandlungspartnern, mit denen in 50 Gesprächsrunden diskutiert wurde. Das derzeitige System sei "unfair", im neuen werde es Ungerechtigkeit "nicht mehr geben". "Gleiche Leistungen für gleiche Beiträge", erklärte die Ministerin. Morgen, Mittwoch, werde sie sich nach dem Ministerrat noch ausführlicher zu Wort melden.

Auch Klubobmann August Wöginger sprach von der "größten Reform" der letzten Jahrzehnte. Im Vorfeld seien "gewisse Ängste geschürt worden" vor der Reform, deshalb wolle er feststellen: "Wir schließen keine Krankenhäuser."

Die Pläne im Detail

Zusammenlegung fix, Zukunft der AUVA bleibt unklar

Die Regierungsspitze hat am Dienstag ihre Pläne für die Reform der Sozialversicherungen vorgelegt. Laut der Punktation, die am Mittwoch vom Ministerrat beschlossen werden soll, ist eine Zusammenlegung der derzeit 21 auf vier oder fünf vorgesehen. Die Zukunft der AUVA ist vorerst weiter offen. Darüber soll es wie bisher einen Dachverband geben.

Die neun Gebietskrankenkassen werden zu einer "Österreichischen Gesundheitskasse" (ÖGK) fusioniert und damit für die unselbstständig Erwerbstätigen zuständig sein. Die Sozialversicherungsanstalten der Selbstständigen (SVA) und der Bauern (SVB) werden zu einem "Selbstständigen-Träger" (SVS) zusammengelegt. Die Beamtenversicherung (BVA) und die Versicherung der Eisenbahner und für den Bergbau kommen zu einer Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst und Schienenverkehrsunternehmen zusammen. Bestehen bleibt die Pensionsversicherungsanstalt. Sie wird allerdings nicht wie ursprünglich angedacht auch für Öffentlich Bedienstete und Selbstständige zuständig sein, deren Pensionsagenden bleiben bei der SVS und der neuen Beamtenversicherung.

Offen ist nach wie vor die Zukunft der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Hier fordert die Regierung in der Punktation eine "nachhaltige Neuorganisation". Die im Regierungsprogramm enthaltenen 500 Millionen Euro werden zwar nicht explizit angeführt, es heißt aber: "Der erste finanzielle Erfolg muss bis Ende 2018 nachweisbar sein. Dazu ist es entsprechend dem Regierungsprogramm notwendig, bis zum 31.08.2018 Organbeschlüsse in der AUVA gefasst zu haben, um das Einsparungspotenzial sicherzustellen."

ÖGK für Budget und Personal zuständig

Die neue Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) wird neun Landesstellen erhalten. Wo die Zentrale sein soll, ist der Punktation, die am Mittwoch vom Ministerrat beschlossen werden soll, noch nicht zu entnehmen. Die Gesamtbudgethoheit wird von der Hauptstelle der ÖGK wahrgenommen. Zudem obliegt ihr die Steuerung inklusive der strategischen, gesamthaften und bundesländerübergreifenden Gesundheitsplanung.

Die ÖGK hat für eine bundesweit ausgeglichene Gebarung zu sorgen und den Landesstellen ausreichende Mittel entsprechend den von ihnen zu verantwortenden Aufgaben zur Verfügung zu stellen. "Jedenfalls soll sichergestellt werden, dass den Versicherten in jedem Bundesland die Beitragseinnahmen der jeweiligen Gebietskrankenkasse im Jahr 2017 entsprechen." Die ÖGK ist zuständig für die Verhandlung eines österreichweiten Gesamtvertrages mit den Ärzten und der entsprechenden Honorare. Die Landesstellen der ÖGK sind weiterhin für die regionale Versorgungsplanung zuständig und es wird ihnen die Möglichkeit gegeben, Zu- und Abschläge auf Grundlage des österreichweiten Gesamtvertrages zu verhandeln.

Budget- und Personalhoheit erhält damit die ÖGK. Zusätzlich ist eine länderweise Budgetautonomie festzulegen, die allerdings nur den Einsatz der im Land bis 31.12.2018 frei verfügbaren allgemeinen, nicht gebundenen Rücklagen umfasst, sowie die Verwendung der Mittel für Gesundheitsreformprojekte (Innovations- und Projektbudget). Die Höhe des Innovations- und Projektbudgets ist von der wirtschaftlichen Gesamtsituation abhängig. Die Bundesländer sind in die Umsetzung einzubeziehen. Um die Verwaltungskosten zu senken, soll innerhalb der ÖGK eine Aufgabenbündelung festgeschrieben werden, die bei gleichzeitiger Beibehaltung des Leistungsniveaus für die Menschen eine Optimierung der Strukturen zum Ziel hat.

Eine Milliarde soll eingespart werden

Die Regierung erhofft sich durch die von ihr geplante Reform der Sozialversicherungen Einsparungen von geschätzt einer Milliarde Euro bis 2023. Diese "Gesundheitsmilliarde" will die schwarz-blaue Koalition für den Kampf gegen die Zwei-Klassen-Medizin einsetzen. Außerdem soll das Geld in den Ausbau der Kassenärzte, die Stärkung des niedergelassenen Bereichs und die Finanzierung von Landarztstipendien investiert werden.

Die Regierung verweist auch auf die von ihr angestrebte Verschlankung der Verwaltung. Statt derzeit rund 90 Verwaltungsgremien soll es künftig nur noch etwa 30 geben. Die Zahl der Funktionäre soll um 80 Prozent von derzeit etwa 2.000 auf künftig nur noch 400 sinken. Allerdings bekommt die Mehrzahl dieser Funktionäre in den Sozialversicherungen derzeit keine Gehälter sondern nur Aufwandsentschädigungen. Analog zur Reduzierung der Träger soll es statt 21 Generaldirektoren künftig auch nur noch fünf geben.