ÖVP und FPÖ stehen knapp vor einer Einigung, was die Reform der Sozialversicherung betrifft. Heute Nachmittag treffen sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit den beiden Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ), um letzte offene Punkte zu klären.

Übers Wochenende soll alles endgültig fixiert werden. Schon kommende Woche sollen die Eckpunkte im Ministerrat auf den Weg gebracht, im Sommer die nötigen Gesetze beschlossen werden. Damit könnte die Zusammenlegung der derzeit 21 auf vier bis fünf Sozialversicherungsträger noch im Herbst oder spätestens mit Anfang des kommenden Jahres realisiert werden.

Indes konnten Regierung und Länder heute schon eine Teileinigung bei der Kompetenz-Bereinigung erzielen, mehr dazu lesen Sie hier.

Folgende Veränderungen in System der Sozialversicherungsträger zeichnen sich laut Informationen der Kleinen Zeitung ab:

Aus 21 Trägern werden vier bis fünf:

  • Aus neun Gebietskrankenkassen wird eine "Gesundheitskrankenkasse" (ÖGK).
  • Die gewerbliche Versicherungsanstalten wird mit jener der Bauern zusammengelegt.
  • Die Versicherungsanstalt des Öffentlichen Dienstes wird mit der Bergarbeiterversicherung (in der zum Beispiel auch die ÖMV-Bediensteten versichert sind) fusioniert.
  • Die vierte Anstalt ist die Pensionsversicherungsanstalt - hier erfolgte schon vor 15 Jahren die Zusammenlegung der Institute von Arbeitern und Angestellten.
  • Der fünfte Träger ist  - bis auf weiteres - die AUVA: Hier winkt allerdings die Zusammenlegung mit den Gebietskrankenkassen, wenn die Sparvorgaben nicht erfüllt werden. Bei letzteren gibt es die Regierung allerdings schon billiger: Hat sich doch inzwischen durchgesprochen, dass ein Gutteil der nicht mehr gewünschten Leistungen mit gesetzlichen Vorgaben und nicht mit "Fleißaufgaben" der AUVA zusammenhängt.

Weniger Mitsprache

Die Selbstverwaltungskörper soll es weiter geben, allerdings in abgeschlankter Form.

  • Bisher gab es Generalversammlung und Vorstand, die jeweils zu zwei Dritteln von Arbeitnehmern (ÖGB bzw. AK) und zu einem Drittel von Arbeitgebervertretern (Wirtschaftskammer) beschickt wurden. Die Generalversammlung beschloss die Leistungen, der Vorstand war quasi die Geschäftsführung, deren Obmann ihr Vorsitzender. Die Idee dahinter war, dass die Zahler, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, auch über die Ausgaben bestimmen können sollen. Die Zahl der Arbeitnehmer war größer, weil sie auch mehr Beitragszahler stellen.
  • Künftig soll es nur noch ein Gremium geben, weil die Leistungen zentral vorgegeben werden. Auch die Beiträge sollen zentral eingehoben werden. Im Fall der steirischen GKK würde das bedeuten, dass aus der Generalversammlung mit 24 Mitgliedern und dem Vorstand mit 15 Mitgliedern ein neues Gremium mit rund zehn Mitgliedern werden könnte - je vier oder fünf jeweils für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Damit verschieben sich die Kräfte: Mit der Beschickung 50 : 50 orientiert man sich an der Beitragsparität, also daran, dass die Beiträge je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt werden. Ein ähnliches Gremium wird es auf Bundesebene geben.
  • Regierungsvertreter von Bund oder Land werden im Gegensatz zur ursprünglichen Absicht keine entsandt. Man scheut eine mögliche Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wegen des Eingriffs in die Selbstverwaltung.

Durch die zentrale Einhebung der Mittel und die zentrale Vorgabe der Leistungen werden die Länderkassen jedoch viel weniger Spielraum haben als bisher. Sie sollen künftig nur noch für Gesundheitsplanung und Gesundheitsziele zuständig sein: Ihre Vertreter werden in der "Landeszielsteuerungskommission" sitzen und gemeinsam mit den Ländervertretern etwa den Regionalen Gesundheitsplan (RSG) beschließen, also auch die Standorte der Spitäler. Außerdem sollen sie mit speziellen Projekten innovative Akzente setzen können.

Weniger Funktionäre

Die Zahl der Funktionäre nimmt also beträchtlich ab - diese bekamen allerdings ohnehin nur eine Aufwandsentschädigung von 40 Euro pro Sitzung. Die Obleute werden verschwinden. Sie enthielten bisher eine Gage von rund 4.100 Euro brutto pro Monat, 12mal pro Jahr, hafteten allerdings persönlich für zum Teil  Milliardenbudgets. Die angestellten 21 Direktoren und ihre Vertreter verschwinden natürlich nicht sondern werden irgendwo anders im neuen Konstrukt eingesetzt. Der Einsparungseffekt ergibt sich - wie bei der zusammengelegten Pensionsversicherungsanstalt - erst nach vielen Jahren.  Direktoren erhalten ein Salär von rund 14.000 Euro brutto (je nach Zahl der Dienstjahre, etc.). 

Politische Verschiebung

Durch die neue Beschickung der Gremien ergibt sich auch eine politische Verschiebung. Bei Gleichstand von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern könnte die SPÖ durch das neue Übergewicht von schwarz und blau in vielen Gremien ihre bisherige Mehrheit verlieren.