Veronica Kaup-Hasler, von 2006 bis 2017 Leiterin des Festivals "steirischer herbst" in Graz, ist eine ausgewiesene Theaterfachfrau. Nun wird die ehemalige Dramaturgin am Wiener Burgtheater, die auch Erfahrungen bei den Salzburger Festspielen, am Theater Basel und bei den Wiener Festwochen sammelte, zur Nachfolgerin von Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) und übernimmt das Kulturressort der Stadt Wien.

Der künftige Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) lobte bei der Präsentation ihre bisherige Arbeit: "Ich kenne und schätze sie noch, als sie im Rahmen der Wiener Festwochen als Dramaturgin und enge Mitarbeiterin des Intendanten Luc Bondy tätig war." Kaup-Hasler wiederum wunderte sich über ihre Kür selbst: "Aber ich habe in dieser Biografie schon einige Volten geschlagen." Ludwig dankte sie mit einer unerwarteten Selbsteinschätzung: "Danke für den Mut, jemanden zu nehmen, der ein seltsames Wesen ist." Dieser revanchierte sich wiederum mit dem Bekenntnis, dass "gerade seltsame Wesen Platz in der Sozialdemokratie haben sollen".

Geboren wurde Kaup-Hasler 1968 in Dresden als Tochter einer ostdeutschen Sängerin und eines österreichischen Schauspielers. 1970 gelang der Familie die Ausreise aus der DDR nach Wien. Dort wuchs Veronica Kaup-Hasler auf, maturierte und studierte danach Germanistik, Politikwissenschaft, Ethnologie und Theaterwissenschaft, ihren Abschluss machte sie 1993 in Theaterwissenschaft. Parallel zum Studium arbeitete sie als Journalistin und als Dramaturgie-Mitarbeiterin am Burgtheater.

An der Seite von Luc Bondy

Im Anschluss an das Studium wurde sie nach einem Engagement bei den Salzburger Festspielen 1993 ("Cosí fan tutte") als Dramaturgin an das Theater Basel engagiert, wo sie bis 1995 tätig war. Von 1995 bis Juni 2001 arbeitete Kaup-Hasler bei den Wiener Festwochen als Festivaldramaturgin und ab 1998 als künstlerische Mitarbeiterin von Schauspieldirektor Luc Bondy. Wesentliche Beiträge lieferte sie u.a. zu Konzeption und Durchführung des "Regiewettbewerbes" der Festwochen, in der Entwicklung der Container-Aktion von Christoph Schlingensief sowie in der Recherche im Bereich osteuropäischen Theaters.

1998 bis Juni 2001 war Kaup-Hasler Lehrbeauftragte an der Akademie der Bildenden Künste in der Meisterklasse von Erich Wonder. Ende Jänner 2001 wurde sie zur Künstlerischen Leiterin des biennalen Festivals "Theaterformen" bestellt, das unter ihrer Führung 2002 und 2004 stattfand. 2006 folgte sie schließlich Peter Oswald als Intendantin des Festivals "steirischer herbst", an dessen Spitze sie bis 2017 blieb und das sie wesentlich prägte.

Wollte "nicht nur Freunde erreichen"

"Wir hatten 75 Prozent neue Arbeiten oder Auftragsarbeiten, der herbst ist ein Unikat in dieser Hinsicht", meinte sie nach Ende der letzten Festivalausgabe unter ihrer Leitung. Eine Stärke des Festivals sei es auch immer gewesen, dass "wir alle Sparten umfassen". In Graz wollte sie ein Publikum erreichen, "das nicht nur aus Freunden, Kollegen und Kulturschaffenden besteht". So etablierte sie etwa die Idee eines Festivalzentrums, das jährlich wechselte sowie Plätze wie das ehemalige Zollamt am Hauptbahnhof oder den Pavillon im Volksgarten ins Kulturgeschehen einbezog. Besonders stark förderte sie Performance und zeitgenössischen Tanz.

Abseits des Festivalbetriebs war Veronica Kaup-Hasler Jurymitglied der Wiener Theaterjury, bei der internationalen Performance-Plattform "Plateaux" am Mousonturm (Frankfurt) und beim Wettbewerb "evolutionäre Zellen" der Frankfurter Künstlergruppe finger.

Reaktionen

Viel Zuspruch erhält die neue Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) in ersten Reaktionen aus der Wiener Kulturszene: Tomas Zierhofer-Kin, Intendant der Wiener Festwochen, würdigte Kaup-Hasler in einem Statement gegenüber der APA als "extrem profilierte Intendantin und ehemalige Dramaturgin, somit kommt sie als Vollprofi aus dem Bereich der Kunst". Die Erwartungen an sie seien klar: "Eine Anwältin der Kunst und der Künstlerinnen und Künstler zu sein, die die Produktionsbedingungen von innen kennt und somit glaubhaft verändern kann, die aber auch die Wirkung für und in die Gesellschaft im Auge hat." Der frühere Leiter des Donaufestivals, der mit Kaup-Hasler "seit Jahren in inhaltlichem Austausch" steht, hält die neue Kulturstadträtin für "mehr als kredibil in der Szene", sie werde die hohen Erwartungen "sicherlich erfüllen". Die größte Herausforderung sei in Wien "die Balance zwischen Vergangenheit/Tradition und aktuellem Kunstschaffen; die Balance zwischen Institutionen und einem lebendigen aktuellen Kunstleben".

Für Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen steht die neue Kulturstadträtin "für die Wahrung der Autonomie der Künste; auch hat sie sich in der Vergangenheit ausdrücklich gegen die Instrumentalisierung von Kultur durch populistische Vereinnahmungsversuche gewehrt", heißt es gegenüber der APA. "Ich bin mir sicher, dass sie die vorhandenen Potenziale von Kunst und Kultur in Wien stärken und zukunftsweisende Vermittlungsmodelle initiieren wird. Kunst und Kultur als Medien zu begreifen, die über ästhetische Fragestellungen hinaus direkt in Gesellschaft hineinwirken können, wird sicherlich ein zentrales Anliegen der hiesigen Kulturszene sein."

Konzerthaus-Intendant Matthias Naske gratulierte Kaup-Hasler via Aussendung: "Die Stadt braucht Menschen, die den Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten, der mit einem öffentlichen Amt verbunden ist, mit Haltung und Mut nutzen." Er schätze Veronica Kaup-Hasler als weitsichtige und hoch professionelle Persönlichkeit, die der Gegenwart mit Freude verpflichtet sei. "In ihrem Verständnis, kompromisslos der künstlerischen Qualität, wie einem breiten Zugang zur Kunst zu dienen, liegt ein großes Potenzial, das sich mit der Ausrichtung des Wiener Konzerthauses als lebendigem Ort der Musik in seiner ganzen Vielfalt deckt."

Auch der steirische Kulturlandesrat Christopher Drexler (ÖVP), der Kaup-Haslers Arbeit als "steirischer herbst"-Intendantin sehr schätzt, ist "davon überzeugt, dass sie in Wien im Kulturbereich großartige Arbeit leisten wird".

Für den Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) war die Bestellung Kaup-Haslers keine Überraschung, habe sie doch als Intendantin des steirischen herbst ein "seit jeher politisches Festival" geleitet. Er beglückwünschte die Stadt Wien zur neuen Kulturstadträtin und meinte: "Wir waren sehr angetan von ihrem steirischen herbst." Man hätte sie gerne für eine dritte Amtsperiode verpflichten wollen.

Kurz und bündig reagierte Rabenhof-Chef Thomas Gratzer auf die Bestellung Veronica Kaup-Haslers zur neuen Kulturstadträtin: "Sehr überraschend. Sehr spannend." Als "erstklassige Besetzung" bezeichnete Hans Escher von den Wiener Wortstaetten die Entscheidung. "Ihre Bestellung gibt Hoffnung, dass Kulturpolitik als Gestaltung und nicht nur als Repräsentation begriffen wird." Kaup-Hasler sei "eine Frau vom Fach, die die vielen ungelösten Fragen der Wiener Kulturpolitik sicher mit großem Wissen und viel Erfahrung in Angriff nehmen wird", zeigte sich Escher optimistisch. Die Wiener Wortstaetten, ein 2005 gegründetes interkulturelles Autorentheaterprojekt, kämpfen seit einiger Zeit um ihren Fortbestand. Nachdem die zuständige Jury der Stadt Wien empfohlen hatte, die Förderungen ab 2018 einzustellen, gewährte ihnen vorerst das Werk X Unterschlupf und stellt ein Jahr lang ein Büro zur Verfügung.

Matti Bunzl, Direktor der Wien Museums, freut sich ebenfalls über die Nachfolgerin von Andreas Mailath-Pokorny, mit dem jüngst die Finanzierung des Umbaus den Wien Museums und Qualität von Kultur gewährleistet" und freut sich auf ein erstes Kennenlernen.

Die IG Kultur wünscht sich von der künftigen Wiener Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler (SPÖ) "Kommunikationsbereitschaft" mit der freien Szene. Da Kaup-Hasler auch aus der Praxis kommt, hofft man auf die Einbindung in Beiräten, bei der Entwicklung einer Kulturstrategie sowie beim "lange schon geforderten Kunst- und Kulturfördergesetz", hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Als Intendantin des "steirischen herbst" habe Kaup-Hasler jedenfalls "mutige Entscheidungen im Sinne von künstlerischen Produktionen und deren Unabhängigkeit getroffen", lobte man ihre Tätigkeit in Graz. Dabei habe sie sich "auch ganz bewusst für die Autonomie der Kunst ausgesprochen". Gleichzeitig verwies die IG Kultur auf die prekären Arbeitsbedingungen in der freien Szene sowie fehlende Räume für Kunstproduktion. "Die finanziellen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen müssen adaptiert werden, um endlich wirtschaftliche und soziale Sicherheit für Angehörige der freien Szene zu gewährleisten." Am Mittwoch veranstaltet man dazu auch eine Pressekonferenz, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.