SPÖ-Vorsitzender Christian Kern hat die Haltung Österreichs in der Affäre um den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien als falsch kritisiert. "Man hätte die Entscheidung (des EU-Gipfels, Anm.) symbolisch unterstützen sollen", sagte Kern am Samstag im APA-Gespräch am Rande einer Programmkonferenz der slowenischen Schwesterpartei in Ljubljana.

"Das ist eine schwierige Situation. Ich respektiere, dass man da eine schwierige Abwägung vorzunehmen hat. Aber am Ende können wir nicht die Resolution unterstützen und dann nicht bei den Maßnahmen mitmachen", betonte der SPÖ-Chef. Österreich hat gemeinsam mit allen anderen EU-Ländern die Solidarität mit Großbritannien bekundet, sich jedoch gegen Ausweisung von russischen Diplomaten entschlossen.

In dem Streit bietet sich Wien als Vermittler an. Laut Kern ist das grundsätzlich richtig und wichtig, weil Österreich traditionell gute Beziehungen zu Russland hat. "Aber Österreich hat bei der Frage das Problem: Wir müssen uns entscheiden. Man kann nicht einmal so und einmal so stimmen: Entweder steht man zur europäischen Solidarität oder man schließt sich aus", forderte der Oppositionsführer. "Die Bundesregierung hat sich entschieden, sich hier auszuschließen."

In dieser Haltung sieht der SPÖ-Chef auch viele Widersprüche. "Die Position, die Österreich zur Türkei hat, ist nicht stimmig mit unserer Russland-Konzeption", sagte er. Wenn man für Rechtsstaat und Demokratie eintrete, dann müsse man das immer tun. "Dieses Hin- und Herschwanken, dann das mit der Neutralität oder der Brückenbaufunktion zu begründen - das halte ich für falsch", sagte Kern.

Mit dieser Zickzack-Linie habe sich Österreich "in eine Ecke" gestellt, so Kern. "Das wird Vertrauen gegenüber den europäischen Partnern kosten", mahnte er mit Blick darauf, dass Österreich demnächst die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Österreich sei Teil des Westens, Teil einer offenen, pluralistischen, westlich ausgerichteten politischen Konzeption. "Es ist wichtig, dass wir das auch betonen. Ich finde es schade, dass das jetzt in Zweifel gezogen worden ist", betonte er. "Offensichtlich fühlen sich Kurz und Strache mit Kaczynski und Orban wohler als mit Merkel und Macron", kritisierte Kern.

"In Richtung Nato-Mitgliedschaft"

Die ÖVP reagiert mit Unverständnis auf die Kritik von SPÖ-Chef Christian Kern an der Haltung der schwarz-blauen Bundesregierung in der Giftaffäre. "SPÖ-Klubobmann Christian Kern ist ganz offensichtlich Richtung NATO-Mitgliedschaft unterwegs", teilte Kerns ÖVP-Pendant August Wöginger am Samstagabend der APA mit.

"Bundeskanzler Sebastian Kurz setzt hingegen auf den bewährten Weg des Brückenbauens, ganz in der Tradition von Bruno Kreisky", unterstrich der ÖVP-Klubobmann mit Blick auf Kerns legendären Vorgänger. Zu Amtszeiten Kreiskys hatte die ÖVP dessen Außenpolitik hingegen als nicht neutralitätskonform kritisiert. "Die Beständigkeit und auch ruhige Zurückhaltung, die die Außenpolitik eines neutralen Staates prägen sollte, sei von Sprunghaftigkeit, persönlichen Interessen und Neigung zum diplomatischen Spektakel abgelöst worden", sagte der damalige ÖVP-Chef Alois Mock im März 1980. Während die SPÖ einen NATO-Beitritt immer strikt ablehnte, trat die ÖVP in den 1990er-Jahren unter Wolfgang Schüssel für einen Beitritt Österreichs zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis ein.

Kern hatte am Rande eines Slowenien-Besuchs am Samstag kritisiert, dass das offizielle Österreich in der Giftaffäre nicht zur "europäischen Solidarität" mit Großbritannien gestanden sei. Zudem sei die österreichische "Russland-Konzeption" nicht stimmig mit der Position, die man zur Türkei habe. Wenn man für Rechtsstaat und Demokratie eintrete, müsse man das immer tun, sagte er in Anspielung auf den scharfen Türkei-Kritiker Kurz. "Dieses Hin- und Herschwanken, dann das mit der Neutralität oder der Brückenbaufunktion zu begründen - das halte ich für falsch", sagte Kern. Österreich habe sich damit "in eine Ecke" gestellt. "Das wird Vertrauen gegenüber den europäischen Partnern kosten", mahnte er mit Blick auf die kommende EU-Ratspräsidentschaft.

Kern in Laibach

Unterdessen findet der Oppositionsführer den Staatsbesuch in China, den Bundespräsident Alexander Van der Bellen zusammen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und vier Ministern heute begonnen hat, wichtig, um gute Beziehungen zu China zu behalten und entwickeln. Die Größe der Delegation sei ihm "recht, wenn das nützlich" sei. "Es ist natürlich immer auch ein Show-Element dabei", betonte Kern. Auch seine Regierung habe einen Besuch in China auf dem Plan gehabt, der aber dann durch die Neuwahlen nicht zustande gekommen sei.

In Ljubljana nahm Kern an der Konferenz der slowenischen Sozialdemokraten (SD) teil, die vor den bevorstehenden Neuwahlen ihr Programm bestätigt hat. Ein guter Ausgang der slowenischen Wahl sei wichtig, um die sozialdemokratischen Stimmen in Europa wieder zu stärken, betonte er.

Trotz Aufschwung von Populisten bei der Parlamentswahl in Italien und der Tatsache, dass auch in Slowenien ein populistischer Politiker in den Umfragen führt, zeigte sich Kern optimistisch, dass bei den Wählern "mittlerweile Ernüchterung" über Populisten eintrete. "Das ist ein Problem, das wir auch in Österreich gesehen haben: sie versprechen Milch und Honig, versprechen allen alles und halten am Ende nichts ein, sie betreiben dann nur sehr kleine Partikularinteressen. Das sei die Lektion in ganz Europa, das hat man auch in Österreich jetzt gesehen."

Die slowenische SD hat laut Kern einen Riesenvorteil: Sie war "immer eine Kraft der Stabilität und Berechenbarkeit". Die Landtagswahl in Kärnten, bei der die SPÖ die stärkste Kraft wurde, solle eine Motivation sein, legte Kern der Schwesterpartei in einer Ansprache zu Herzen. "Der Grund war Zuverlässigkeit, Ernsthaftigkeit, solide Arbeit, jeden Tag das Leben der Menschen ein bisschen besser machen", zählte er die Gründe für den SPÖ-Erfolg in Kärnten gegenüber der APA auf. "Das ist eine Linie, die am Ende auch Chancen hat, den Populismus zu besiegen."