Ist die Germania nur ein Einzelfall oder die Spitze des Eisbergs?

BERNHARD WEIDINGER: Vor einiger Zeit hätte ich von einem Einzelfall gesprochen. Ich bin mir nicht mehr so sicher. Es ist einiges an die Oberfläche gekommen. Das dürfte nicht alles sein.

Früher meinte man, dass ewiggestriges Gedankengut verschwindet, weil die Leute aussterben.

Die Burschenschaften haben nach 1945 die Botschaft vom deutschen Österreich zu ihrem Daseinszweck erklärt und die deutsche Fahne hochgehalten. Das ist bis heute ihr Wesenskern.

Wie antisemitisch sind Burschenschaften?

Ich meine, dass NS-Verherrlichung in der extrem zugespitzten Form, wie wir sie aus dem Liedtext kennen, für die Burschenschaften nicht typisch ist. Nicht alle, aber in der Mehrzahl vertreten sie einen völkischen Nationalismus und verstehen das Volk als Abstammungs- und Blutgemeinschaft. Wo völkischer Nationalismus deutscher Prägung anzutreffen ist, ist historisch der Antisemitismus nicht weit.

Sollte der Staat die Verbindungen unter die Lupe nehmen?

Es kann nicht im Sinn des Gesetzgebers sein, dass Verstöße gegen das Verbotsgesetz ungeahndet bleiben, weil sie verjährt sind. Eine erhöhte behördliche Aufmerksamkeit ist wünschenswert. Die schwarz-blaue Regierung könnte sich hier große Verdienste um die Demokratie erwerben.

Was halten Sie von einer Historikerkommission?

Wenn das Dritte Lager spät, aber doch sich zur kritischen Aufarbeitung der eigenen Geschichte entschließt, ist es zu begrüßen. Die Betonung liegt dabei auf „kritisch“. Apologetische Arbeiten aus der Ecke gibt es genug.

Ist Ihnen die Germania bisher je untergekommen?

Nein, wir haben nicht viel mehr gewusst, als dass sie existiert. Es ist ja bisweilen nicht einmal klar, ob manche Korporationen noch existieren. Einige sind nur mehr Altherrenstammtische. Wir verteilen nicht aus Lust und Laune das Siegel rechtsextrem. Wir machen es nur, wenn uns ausreichend konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

Wie viele Korporationen sind rechtsextrem?

Das lässt sich nicht seriös beziffern, weil uns nur von wenigen Verbindungen genug Material vorliegt, um sie zuverlässig verorten zu können.