In der Tiroler ÖVP manifestiert sich zusehends Unzufriedenheit mit den Plänen der schwarz-blauen Koalitionsverhandler. Bildungslandesrätin Beate Palfrader hat am Montag gegenüber der APA die mangelnde Einbindung der Länder beklagt. Tirols AK-Präsident Erwin Zangerl, der wie Palfrader aus dem ÖAAB kommt, warnte in der "Tiroler Tageszeitung", vor den politischen Machtansprüchen der FPÖ einzuknicken.

Palfrader kritisierte, dass die Länder beim Bildungsthema nicht einbezogen wurden: "Nach wie vor kennen wir nur Überschriften. Dabei könnten wir unsere Erfahrungen einbringen". Freilich seien auch positive Ansätze dabei wie die Forcierung der Kindergärten, der Ausbau der Ganztagsschulen und die Fokussierung auf die Grundtechniken. "Bedenklich" sei jedoch die Verpflichtung, zu den Noten zurückzukehren, und die damit verbundene Abkehr von der Wahlfreiheit und der Schulautonomie. "Wir haben in Tirol bereits 225 Klassen mit alternativer Leistungsbeurteilung", erläuterte Tirols Bildungslandesrätin. Dahinter stecke jahrelange Entwicklungsarbeit und Erfahrung. Zudem nehme die alternative Beurteilung viel Druck sowohl von den Kindern als auch von den Lehrern.

Hinterfragenswert seien auch die angedachten Sanktionen für Eltern bei Nichteinhaltung der Schulpflicht. "Mit ist nicht klar, wie man sich das vorstellt", so Palfrader: "Wir setzten stattdessen auf Beratung und Information. Das ist zielführender". Sie hoffe aber, dass auch hierbei gelte, "nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird". Palfrader wolle nun darauf drängen, dass sich auch die Länder einbringen können: "Wir haben jahrelange Erfahrungswerte". Ob es bei diesem Thema eine Bruchlinie innerhalb der ÖVP gebe, wollte sie nicht beurteilen. In Vorarlberg orte sie jedenfalls "ähnliche" Standpunkte wie in Tirol.

AK-Präsident Zangerl hielt gegenüber der "TT" angesichts der Pläne von ÖVP und FPÖ, was die Selbstverwaltung der Krankenkassen betrifft, mit seiner Empörung ebenfalls nicht hinterm Berg: "Wir sind nicht gegen Reformen bei den Kassen, aber die sind in den Ländern zu führen". Was jedoch ÖVP und FPÖ planten sei "Zentralismus pur", so Zangerl: "Mit dieser Struktur und nur noch einer österreichischen Kasse statt den neun Gebietskrankenkassen hat Tirol überhaupt keinen Einfluss mehr. Es geht uns um Verantwortung für die Versicherten und unsere Mitglieder vor Ort". Im Westen formiere sich daher Widerstand. Tirol, Vorarlberg und Salzburg hätten ein Positionspapier verabschiedet.

Die ÖVP dürfe nicht vor den politischen Machtansprüchen der Freiheitlichen einknicken, betonte Zangerl: "Bei den demokratischen Wahlen in den Interessenvertretungen bzw. der Selbstverwaltung waren sie in der Vergangenheit kaum erfolgreich, jetzt versuchen die Blauen über die Zerschlagung der Selbstverwaltung Einfluss zu gewinnen".

Naturgemäß anders sah das Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger: "Zangerl und Palfrader sollen mit ihren unqualifizierten Zwischenrufen die Koalitionsgespräche nicht länger stören". Offenbar hätten die beiden in der "neuen ÖVP" nicht mehr jenen Stellenwert, den sie gerne hätten. Zangerl gehe es "alleine um seinen eigenen Futtertrog und um seinen eigenen Machterhalt", so Abwerzger. Palfrader sei ebenfalls eine "Proponentin der Tiroler ÖVP-Alt". Insbesondere im Bildungsbereich vertrete sie eine "Linie, die die Bundes-ÖVP nun klar ablehnt". Abwerzger ortete diesbezüglich aber auch in der Tiroler ÖVP Gespaltenheit.

Ähnlich auch die Kritik von NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker: "Wenn AK-Präsident Zangerl gegen die Fusionierung der Krankenkassen eintritt, geht es ausschließlich um die Posten der AK in der Gebietskrankenkasse in Vorstand, Kontrollversammlung und Generalversammlung".