Heute wird die "Abwicklung" der Grünen eingeleitet: Nach 30 Jahren im Parlament heißt es für sie Abschied nehmen aus der Bundespolitik, nur im Bundesrat sind sie bis zu den nächsten Landtagswahlen noch vertreten. Mit Ende des Jahres läuft die Klubförderung aus. Ab 8. November sind rund 110 Mitarbeiter in Klub, Partei und Bildungswerkstatt freigestellt. Der Bundesvorstand tagte ab 13 Uhr.

Die Grünen ziehen die Konsequenzen nach dem Debakel bei der Nationalratswahl. Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek zieht sich aus allen Funktionen auch im Europaparlament zurück, Ingrid Felipe geht als Bundessprecherin. Ihr Vize Werner Kogler übernimmt die Partei interimistisch, gaben die beiden in einer Pressekonferenz nach dem grünen Bundesvorstand bekannt. "Ich lege auch meine Funktionen im Bundesvorstand der Grünen zurück und lege eine Pause ein", sagte Lunacek. "Es braucht einen Neustart. Ich bin überzeugt, es wird gelingen, wieder in den Nationalrat einzuziehen."

Lunacek geht, Felipe übergibt an Vize Kogler

Zunächst aber trat die grüne Bundessprecherin Ingrid Felipe offiziell von ihrem Amt zurück. Sie hat im Bundesparteivorstand ihren Rückzug verkündet. "Wenn man als grüne Partei nicht mehr dem Nationalrat angehört, kann man nur sagen, die schwierige Mission ist gescheitert", sagte sie der "Tiroler Tageszeitung". Felipe will sich ganz auf ihre Arbeit als Tiroler Grünen-Chefin konzentrieren. Dort finden nächstes Jahr Landtagswahlen statt. "Tirol ist die nächste wichtige Wahl und Tirol braucht meine volle Energie", begründete sie ihren Rückzug. Sie helfe den Grünen sicher am allermeisten, "wenn wir in Tirol gut abschneiden". Gemeinden und Länder müssten die Bundespartei wieder aufrichten und finanziell unterstützen, so Felipe.

Am Freitag tagte der erweiterte Bundesvorstand, um die finanzielle Abwicklung der Grünen zu beschließen. Die Partei sitzt auf einem Schuldenberg. Die Landesorganisationen haften und müssen in die Bresche springen. Die Mitarbeiter und Funktionäre konnten es bis zum Schluss nicht glauben: Am Montag, noch bevor das Endergebnis endgültig feststand, wurden sie über das nahende Ende informiert.

Es flossen Tränen. Viele Beschäftigte haben ein halbes Leben mit den Grünen verbracht. Andere stehen vor einem Mutterschutzurlaub, auch behinderte Mitarbeiter gibt es, die jetzt vor dem Nichts stehen. Mit dem Betriebsrat wird ein Sozialplan entwickelt. Innerhalb weniger Wochen muss alles ausgeräumt werden. Keiner weiß noch, in welchem Lager 30 Jahre Geschichte der Grünen  ihre letzte Ruhestatt finden werden.

Was auch schmerzt: Viele, die den Grünen ihre Stimme entzogen haben, rufen jetzt an bei grünen Funktionären und sagen, wie leid es ihnen tut. Viele von denen haben im Zuge der Polarisierung für die SPÖ mit Christian Kern gestimmt, und sind jetzt maßlos enttäuscht darüber, dass dieser mit allen, auch mit der FPÖ, über eine allfällige Regierungsbeteiligung verhandeln will.

Der Steirer Thomas Waitz, seit Jahren im Vorstand der europäischen Grünen, dürfte Lunacek im EU-Parlament nachfolgen.

Vor der Sitzung gab man sich wortkarg und versuchte größtmögliche Distanz zu den wartenden Medienvertretern zu wahren. Der Tagungsort wurde geheim gehalten, nach dessen Durchsickern dann sogar verlegt. Klubchef Albert Steinhauser sagte noch am ersten Ort: "Es gibt nichts zu sagen, weil wir erst tagen." Noch wortkarger gab sich Lunacek. Sie forderte die Journalisten bei ihrem Eintreffen beim Klub in der Löwelstraße verärgert auf, Respekt zu zeigen. Im Ö1-"Mittagsjournal hatte Steinhauser von "brutalen" Konsequenzen des Wahlverlusts gesprochen, denn nicht nur die Abgeordneten, sondern auch 90 Mitarbeiter müssten ihre Arbeit einstellen. Gefragt, was man anders hätte machen könnte, sagte er: "Es ist eine relativ einfache Geschichte, hätten wir den Peter Pilz auf Platz Vier gewählt, dann wären die Grünen jetzt mit Sicherheit im Nationalrat."