1. Worum geht es in der Causa Silberstein, die Kanzler Christian Kern zu schaffen macht?


Anfang des Jahres engagierte die SPÖ den international bekannten Politikexperten Tal Silberstein für die Kern-Kampagne. Silberstein hatte gemeinsam mit Ex-Clinton-Berater Greenberg 2001 Michael Häupl und 2006 Alfred Gusenbauer erfolgreich beraten. Wann immer er in Wien weilte, ging Silberstein, wie ein Insider der Kleinen Zeitung berichtet, im Kanzleramt und in der Löwelstraße ein und aus. Silberstein hatte kein eigenes Büro, seine Zelte schlug er im Park Hyatt auf. Rund 400.000 Euro sollen an Silberstein als Honorar geflossen sein.


2. Welche Qualitäten besitzt Silberstein?


Hört man sich in SPÖ-Kreisen um, heißt es, Silberstein sei ein kreativer, umtriebiger, rastloser Kopf, der in der eher verschlafenen Löwelstraße ordentlich Dampf gemacht sowie bestechende Analysen von Umfragen geliefert haben soll. Was nie gesagt wird: Silberstein ist ein ausgewiesener Experte im Dirty Campaigning. In einer US-Doku über den bolivianischen Präsidentschaftswahlkampf kommt Silberstein mit der Aussage zu Wort: „Wir müssen mit der Schmutzkübelkampagne beginnen. Wir müssen den Gegenkandidaten von einem sauberen zu einem schmutzigen Kandidaten machen. Das ist unsere Aufgabe.“ Laut FAZ sollen Silberstein-Mitstreiter 2006 eingeräumt haben, ein Jahr lang Material gegen die ÖVP und Schüssel gesammelt zu haben.


3. Was wird Silberstein vorgeworfen?


Silberstein soll ein eigenes Dirty Campaigning-Team engagiert haben, um Facebookseiten gegen die ÖVP („Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ bzw. „Wir über Sebastian Kurz“) zu entwickeln. Auf den Seiten wurde Kurz auf subtile und weniger subtile Weise in ein schlechtes Licht gerückt, um diesem potenzielle Wähler abspenstig zu machen. Eine Seite erweckte den Eindruck, die FPÖ stecke dahinter. Ex-Wahlkampfchef Georg Niedermühlbichler beteuerte in seiner Rücktrittsrede, dass die SPÖ-Parteizentrale mit den Aktivitäten nichts zu tun hatte.


4. Kann man dem Glauben schenken? Wer steckte dahinter?


Das klingt nicht ganz unlogisch, offenbar sollten unter keinen Umständen Verbindungen zwischen der offiziellen Wahlkampagne und den Schmuddelaktivitäten hergestellt werden können. Wer allerdings dahinter steckte, wer für die Finanzierung aufkam, welche Querverbindungen zur SPÖ bestanden, wie sehr der Kanzler und Parteivorsitzende informiert und involviert war, ist völlig unklar. In Politik-Kreisen wird darüber spekuliert, dass potente Geldgeber im Umkreis von Alfred Gusenbauer die Parallelstruktur finanziert hätten. Holzindustrieller Gerald Schweighofer, Hans Peter Haselsteiner sowie Martin Schlaff wiesen gestern entsprechenden Spekulation von sich.


5. Gibt es tatsächlich keine Verbindungen zur SPÖ?


Doch. In der Zwischenzeit musste die SPÖ einräumen, dass ihr Mitarbeiter Paul P. von Silbersteins Paralleluniversum ziemlich genau Bescheid wusste. Im Sommer sickerte durch, dass die einstige Mitarbeiterin von SPÖ-Stadträtin Wehsely, Vanessa S. drei Tage nach dem Mitterlehner-Rücktritt eine gleichlautende Internet-Domain („Wirfürsebsatiankurz.at“) reserviert hatte, die allerdings nie online ging. In der heutigen Ausgabe enthüllt der Falter, dass der enge Gusenbauer-Vertraute Robert L., Autor der berühmten „Prinzessinnen-Studie“, dem Silberstein-Team angehört haben soll. Keiner der drei war für eine Stellungnahme zu erreichen. Heute will Ex-SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter, der mit der Aufklärung der Sache betraut wurde, juristische Schritte (Anzeige wegen Diffamierung; Verfahren wegen fehlendem Impressum; Auskunftsersuchen an Facebook) einleiten.


6. Gibt es Verbindungen zur ÖVP, wie von der SPÖ insinuiert?


Die Vermutung wurde in die Welt gesetzt, weil das Dirty-Campaignging-Team von Peter Puller angeführt wurde, der in der steirischen ÖVP groß geworden ist und, wie berichtet, 2005 eine Schmuddel-Kampagne gegen Franz Voves organisiert hatte. Puller übersiedelte 2010 nach Wien und wurde Pressesprecher der ehemaligen Wissenschafts- und Justizministerin Beatrix Karl. 2015 beriet Puller die Neos im Wiener Gemeinderatswahlkampf, dabei lernte er Silberstein kennen. Zur selben Zeit ging er mit seiner Firma in Konkurs wegen Schulden in Höhe von paar tausend Euro. Bis zum letzten Wochenende war er bei den Neos geringfügig beschäftigt. Puller war zu keiner Stellungnahme bereit. Wer das Dossier an die Medien weitergespielt hat, ist offen. Neben Puller fällt immer wieder auch der Name einer ehemaligen Mitarbeiterin der SPÖ-Parteizentrale, die mit dem Sohn eines hohen ÖVP-Politikers liiert ist.