Herr Rektor, dass der steirische ÖVP-Landesrat Christian Buchmann nicht auf der Stelle zurücktrat, ist für Sie so unstatthaft wie die Tat des Plagiats an sich?
OLIVER VITOUCH: Das eine ist die wissenschaftliche Frage. Dass es sich bei der Dissertation um ein quantitativ und qualitativ so umfangreiches Plagiat handelt, dass es geboten ist, den Doktortitel abzuerkennen, ist klar entschieden und mit mehreren Gutachten unterlegt.

Und von ihm selbst einbekannt.
Nachdem das Fehlverhalten – und letztlich ist ein Plagiat eine Täuschung – nachgewiesen wurde, knüpft sich daran eine moralische, politische und ethische Frage: Ist Herr Buchmann in seiner öffentlichen Funktion als Landesrat tragbar? Aus meiner persönlichen Sicht nicht. Auch wenn es 17 Jahre in der Vergangenheit liegt. Ich halte es für geboten und einen selbstverständlichen Schritt Buchmanns, von sich aus zurückzutreten.

Sie fordern Buchmanns Rücktritt, weil Sie als Präsident der Universitätenkonferenz den strengsten Maßstab anlegen?
Ich fordere nichts, aber ich hielte Buchmanns Rücktritt für angezeigt. Und besonders irritiert mich die Strategie des „Angriff ist die beste Verteidigung“, die jetzt von Teilen der steirischen ÖVP oder überhaupt der steirischen Politik an den Tag gelegt wird. Im Sinne von: Das ist eigentlich Denunziantentum und man müsse die Hinweisgeber suchen und auf das Schärfste verfolgen.

Feindschaftlich intrigante Hintergründe exkulpieren nicht.
Nein, und sie lenken auch nicht ab von dem, was Thema wäre, nämlich Rücktritt oder nicht.

Buchmanns Aussage: „Ich möchte mich öffentlich dafür entschuldigen“, er habe aber „nie getrickst“, zählt nicht als Ausrede?
Nein. Weil sie inhaltlich nicht den Tatsachen entspricht.

Er nennt es „eine Schlamperei“.
Dass er sich öffentlich entschuldigt, finde ich gut und das ist ihm hoch anzurechnen. Dass er gegen das Ergebnis nicht Beschwerde erhebt, ist auch ein anerkennenswerter Zug. Ein Problem ist, jetzt zu insinuieren, das wären nur handwerkliche kleine Fehler, sozusagen ein Mangel an Finesse im Detail. Hätte Herr Magister Buchmann damals akkurat gearbeitet, dann wäre für den Begutachter der Arbeit ersichtlich gewesen, dass er seitenweise wörtlich aus anderen Quellen abschreibt. Das ist einfach keine dissertationswerte Leistung.

Sollte er die 20 Seiten Entziehungsbescheid auch offen legen?
Das muss er rechtlich nicht. Aber es wäre in dieser öffentlichen Funktion wünschenswert.

Er beruft sich nun auf Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Der hat Buchmann mit den Worten verteidigt, es sei „nun einmal menschlich, Fehler zu machen“. Ist diese Beurteilung in dem Fall moralisch haltbar?
Das geht sehr ins biblisch-katholische. Wer frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

Schützenhöfer meinte, man solle Buchmann die Chance geben, dem Land zu dienen und Vertrauen zurückzugewinnen.
Da orte ich einen Mentalitätsunterschied zwischen Deutschland und Österreich, der stark mit der Religion zu tun hat. Im Katholizismus sündigt man, dann bereut man, beichtet, büßt allenfalls ein wenig, und bekommt die Absolution. Es gehört fast zum guten Ton, ein bisschen zu sündigen. Sonst hat man bei der Beichte ja nichts zu erzählen. Im protestantischen Zugang ist es anders. Da ist es auch das selbstverständlichere Ethos, bei Fehlverhalten von sich aus zurückzutreten.

Karl-Theodor zu Guttenberg wollte erst auch nicht abtreten.
Ja, da lautete die erste Verteidigung von Kanzlerin Angela Merkel, sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftliche Hilfskraft, sondern als Verteidigungsminister bestellt. Das aberkannte Doktorat sei keine notwendige Bedingung für einen Minister. Ist es auch nicht. Es geht vielmehr um Fragen der Glaubwürdigkeit, der Vereinbarkeit, der Wahrhaftigkeit. Im öffentlichen Leben insgesamt, in der Politik besonders. Merkels Aussage rief einen Proteststurm deutscher Universitäten hervor.
Anette Schavan von der CDU trat, des Plagiats ertappt, sofort zurück. Bei einer Bildungsministerin ist Abschreiben in der Dissertation schon besonders herb.

Nicht minder herb war es bei Johannes Hahn als damaligem Wissenschaftsminister. In seinem Fall ist dann auf Nicht-Aberkennung des Doktortitels entschieden worden. Weil es hieß, dass vor über 20 Jahren andere Standards gegolten hätten. Seine Diss heute aber nicht anerkannt worden wäre.
Ich habe mir das damals im Original angesehen. Bei der Arbeit von Hahn ist einfach ein gesamtes Kapitel eins zu eins aus einer anderen Quelle wortwörtlich abgeschrieben - ohne dass dies auch nur ansatzweise ersichtlich wäre. Der Rest der Arbeit ist tatsächlich von ihm.