Die Ärztekammer stellt sich strikt gegen den Vorschlag von SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger nach Abschaffung des Wahlarzt-Systems. Dieser Vorschlag würde zu einer Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin führen, sagte Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger im Gespräch mit der APA - und lediglich die Patienten treffen. Notwendig sei vielmehr die Schaffung von mehr Kassenstellen.

Immer öfter werden Ärzte privat konsultiert, die Patienten holen sich dann einen Teil des Honorars von der Krankenkasse zurück. Geht es nach der SPÖ, könnte dieser Alternative zum Kassenarzt-Besuch bald ein Riegel vorgeschoben werden. "Ich hinterfrage, ob man Wahlärzte überhaupt braucht", hatte Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger in einem Interview erklärt.

Wahlarztrechnungen sollten demnach von den Kassen nicht mehr refundiert werden. Bisher bekommen die Versicherten, die sich damit kürzere Wartezeiten auf einen Termin und mehr Zuwendung durch den Arzt erkaufen, 80 Prozent des entsprechenden Kassentarifs zurück. "Mit dem Geld, das hier eingespart wird, könnte man zusätzliche Kassenarztstellen schaffen", so Spindelberger. Dies sollte maßgeschneidert für die Versicherten erfolgen, mit speziellen medizinischen Angeboten und längeren Öffnungszeiten.

Wahlfreiheit

Mit einer Streichung der nach Ansicht von Ärztekammer-Präsident Wechselbergers ohnehin geringen Refundierung der Kosten für den Wahlarztbesuch durch die Krankenkassen würde man Patienten bestrafen, "wenn sie die Wahlfreiheit in Anspruch nehmen, die sie brauchen, dass sie überhaupt zu ihrer Versorgung kommen, weil es zu wenig niedergelassene Ärzte gibt", so Wechselberger. Denn die Entwicklung der Kassenstellen sei mit dem Bedarf der Bevölkerung "überhaupt nicht parallel verlaufen", sondern dahinter zurückgeblieben. "Es ist unverfroren, in der Zeit der großen Diskussion um unzumutbare Wartezeiten (...), die Leute zu bestrafen, die sich entscheiden, zu ihren Sozialversicherungsbeiträgen noch Geld dazu in die Hand zu nehmen", sagte Wechselberger.

Auch die ÖVP erteilte dem Vorschlag von Spindelberger nach Abschaffung des Wahlarzts-Systems eine Absage. "Ich halte wenig davon", sagte dessen ÖVP-Pedant Erwin Rasinger im Gespräch mit der APA. Würde man das Wahlarzt-System abschaffen, wäre die Versorgungslage noch schlechter, denn derzeit gebe es in vielen Bereichen zu wenige Kassenstellen in Österreich. Österreich habe - etwa im Vergleich zu Deutschland - nur halb so viele Kassenärzte und "wesentlich weniger Fachärzte" mit Kassenvertrag.

Auch die Oppositionsparteien wiesen die Plänen Spindelbergers zurück. Für FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein setzt der SPÖ-Abgeordnete mit seinem Vorschlag "einen weiteren Schritt in Richtung eines DDR-Medizinsystems", meinte sie in einer Aussendung. Die Gesundheitssprecherin der Grünen, Eva Mückstein, kritisierte den Vorschlag Spindelbergers als "zutiefst unsozial": "Immer mehr PatientInnen sind gezwungen, WahlärztInnen aufzusuchen, wenn sie eine rasche und zuwendungsorientierte Behandlung brauchen. Die Kassenpraxen werden nämlich immer weniger", sagte sie in einer Aussendung. 

Ähnlich die NEOS: "Ohne Wahlärzte wäre die medizinische Versorgung in Österreich längst am Ende. Nicht zuletzt die Verknappungspolitik der Kassen zwingt die Patienten zu den Wahlärzten", so Gesundheitssprecher Gerald Loacker.

Ein klares Nein zum SP-Vorschlag kam auch vom Team Stronach: "Statt endlich eine umfassende Gesundheitsreform einzuleiten, will die SPÖ nur die Entscheidungsfreiheit der Patienten einschränken; das ist der falsche Weg", sagte Gesundheitssprecherin Ulla Weigerstorfer.

Spindelberger müsse als ehemaliger Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse "die Aufgabenbereiche und Verpflichtungen, die die Sozialversicherung den Krankenkassen auferlegt, kennen", so Wechselberger. Dennoch habe er über Jahrzehnte zugeschaut, wie die Kassen ihren Verpflichtungen, nämlich der Sicherstellung der ausreichenden kassenärztlichen Versorgung, nicht nachgekommen sind - und jetzt schreie er plötzlich "haltet den Dieb". Spindelbergers Vorschlag unterliege dem Denken, man verbietet ein entstandenes Parallelsystem, anstatt ein bestehendes zu verbessern, sagte Wechselberger. "Man will die Bevölkerung in ein System drängen. Der Vorschlag ist eine Verschärfung des Zwei-Klassen-Systems: Wenn ich den Rückersatz streiche, werden es sich noch weniger leisten können."

Wechselberger betonte auch, dass gesetzlich festgelegt sei, dass die Krankenkasse nicht nur eine ausreichende Zahl an Kassen- und Vertragseinrichtungen zu schaffen hat, sondern dass die Versicherten zumindest zwischen zwei Einrichtungen der Kasse wählen können und "in zumutbarer Zeit" behandelt werden müssen. "Wenn man das nicht tut, kann man doch nicht Patienten bestrafen, die sich am Wahlarztsektor diese Alternative suchen", so der Ärztekammer-Präsident.

Massive Kürzungen

Auch die Wiener Ärztekammer wies am Mittwoch den Vorschlag Spindelbergers klar zurück. Es sei dies "einmal mehr ein Beleg dafür, dass sich die Politik, diesmal mittels Streichung der Wahlarztkostenrückerstattung, gänzlich von der medizinischen Versorgung der Menschen durch die Sozialversicherung verabschieden möchte", betonte der Wiener Kammerpräsident Thomas Szekeres in einer Aussendung. In Wien würden die Spitäler derzeit "durch eine Reduktion der ärztlichen Arbeitszeiten in ihren Leistungen massiv zurückgefahren", während im niedergelassenen Bereich keine Alternativen ausgebaut würden. "Während die Regierung es also verabsäumt, entsprechende Anreize zu schaffen, den extramuralen Bereich durch unbürokratische Rahmenbedingungen und zeitgemäße Honorarkataloge attraktiv zu gestalten, sollen weitere Hürden und Schlechterstellungen für den Patienten aufgebaut werden."