Der Solo-Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Talk-Reihe "Im Zentrum" sorgt weiter für Aufregung. Der ORF widmet sein Diskussionsformat am Sonntag ausschließlich einem Interview mit dem Kanzler. Thema ist die Flüchtlingskrise. In der "Zeit im Bild 2" kam es deshalb am Mittwoch zu einem Eklat: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nannte den ORF vor laufender Kamera "Bestellfunk". "Wenn schon der Herr Bundeskanzler eine ganze Sendung hat, seine Linie zu erklären, geben Sie mir auch die Zeit. Das ist doch Bestellfernsehen. Ich wünsche mir das selbe, was der Herr Bundeskanzler wünscht. Ich wünsche mir, dass der ORF reagiert", sagte der Vizekanzler im Gespräch mit "ZiB 2"-Moderator Tarek Leitner.

Scharfe Kritik an Wrabetz

Zuvor hatte bereits ÖVP-Klubomann Reinhold Lopatka schwere Geschütze gegen den öffentlich-rechtlichen Sender und seinen Generaldirektor Alexander Wrabetz aufgefahren. "Der ORF gehört gestoppt, das widerspricht völlig dem ORF-Gesetz. Wrabetz hat seine Karriere als Wahlkampfhelfer von Josef Cap begonnen, wenn er jetzt glaubt, sie als Wahlkampfhelfer von Faymann beenden zu müssen, dann schadet er dem Unternehmen", meinte Lopatka in den Tageszeitungen "Der Standard" und "Kurier".

Das "Bestellfernsehen" der SPÖ müsse ein Ende haben, "Herr Wrabetz hat bis Sonntag Zeit, seine Schlüsse zu ziehen", so Lopatka. "Die Einladung in ORF-Sendungen sind journalistische Entscheidungen und diese werden ausschließlich von den Journalistinnen und Journalisten des ORF getroffen", erklärte ORF-Fernsehchefredakteur Fritz Dittlbacher am Donnerstag gegenüber der APA. "Einladungen können angenommen oder abgelehnt werden, was ja öfter einmal vorkommt. Sie können aber auf keinen Fall von der Politik eingefordert werden." Zum aktuellen Fall meinte Dittlbacher, dass es "sowohl legitim als auch journalistisch notwendig" sei, den Bundeskanzler zur Position Österreichs in der Flüchtlingspolitik zu befragen.

Auch Merkel zuletzt alleine im TV-Talk

"Es geht hier um ein gewaltiges europäisches Problem und nicht um heimische Innenpolitik. In der aktuellen Situation, zwischen zwei so entscheidenden EU-Gipfeln, den Bundeskanzler nicht einzuladen, wäre ein journalistischer Fehler", so der TV-Chefredakteur Die öffentlich-rechtliche ARD habe zuletzt "bewiesen, wie aufschlussreich eine solche Konzentration auf einen Gesprächspartner sein kann: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Anne Will war beispielhafte Aufklärung. Österreichs Bundeskanzler bei Ingrid Thurnher wird genauso informativ, interessant und aufklärerisch werden", erklärte Dittlbacher.