An der Wand hängen feinst polierte Schrotflinten, Büchsen und Pistolen. Davor putzt ein großgewachsener, an den Schläfen ergrauter Mann um die fünfzig eine Vitrine mit Munition, von seinem Mitarbeiter wird er ehrfürchtig „Chef“ genannt. „Chef“ ist der Besitzer eines kleinen, dunklen Waffengeschäfts in einer Seitengasse des zehnten Wiener Bezirks Favoriten. Das Geschäft, frohlockt er, floriere wie nie zuvor. Und doch jammert „Chef“, auf ein Regal zeigend. Normalerweise, sagt er, liegen hier die Pfeffersprays auf – aber die seien seit Wochen ausverkauft, bekommen werde er frühestens im März wieder eine neue Lieferung. „Mir rennen’s die Tür ein, a Wahnsinn“. Üblicherweise habe er im Monat 40 Pfeffersprays verkauft, seit September seien es etwa 80 pro Woche gewesen. Anstelle der Pfeffersprays empfehle er seinen Kunden nun eben Gas- und Schreckschusspistolen – die aber auch schon vor dem Zuneigegehen des harmloseren Sprays „weggingen wie warme Semmeln“. Diese verschießen keine Projektile, sondern Reizgas- oder Kartuschenmunition. Doch auch „richtige“ Waffen seien momentan gefragt wie nie zuvor, sagt „Chef“.

Starker Anstieg seit Herbst


Sein Eindruck wird durch Zahlen des Innenministeriums klar bestätigt: Allein zwischen September und Dezember stieg die Zahl der angemeldeten Schusswaffen um 16.058 Stück, die Zahl der Waffenbesitzer um 2,8 Prozent auf 262.231 Personen. Registriert sind in Österreich insgesamt 914.443 Schusswaffen. Vor einem Jahr waren es noch um fast zehn Prozent weniger – zuvor waren die Zahlen eher rückläufig. Nicht registrierpflichtige Waffen wie Gaspistolen kommen in dieser Statistik noch gar nicht vor. Stark gestiegen sind zuletzt auch die Anträge für Waffenbesitzkarten. Diese braucht man für Waffen der Kategorie B – also Revolver, Pistolen oder auch halbautomatische Waffen. Eine Waffenbesitzkarte bekommt, wer nachweislich schießen gelernt hat und ein psychologisches Gutachten vorweisen kann. Zusätzlich zu diesem Dokument gibt es den Waffenpass – für jene,  die Waffen mitführen dürfen. Ausgestellt wird dieser jedoch kaum mehr. Gründe für den Anstieg der Waffenkäufe werden im Innenministerium nicht analysiert, heißt es.


„Chef“ ist das egal, er meint die Motive seiner Kunden ohnehin zu kennen: „Die Flüchtlinge machen den Leuten spätestens seit den Kölner Übergriffen Angst, der Polizei vertrauen auch nur mehr wenige“. Von der EU halten er und seine Kunden nicht viel, erzählt er. Auch über die Regierung wird im Waffenladen gerne geschimpft.
Misstrauen in die Politik – laut dem Kriminalsoziologen Norbert Leonhardmair ist dies einer der Hauptgründe für das “zuletzt deutlich gestiegene Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung”. Das färbe schließlich auch auf die Polizei ab, projiziert werden die Ängste dann auf Ereignisse wie die Asylkrise, sagt er. Ob die Bewaffnung so weitergeht, hänge nun davon ab, ob die Asylkrise in der Öffentlichkeit von einem anderen „Hauptthema“ abgelöst werde. Eines aber sei so oder so sicher: „Mehr Waffen bringen immer weniger Sicherheit“.

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