Grünen-Bildungssprecher Harald Walser hat sich am Mittwoch zwar verhandlungsbereit gezeigt, gleichzeitig aber Bedingungen gestellt - allen voran großzügigere Modellregionen bei der Gesamtschule und die "Entpolitisierung" der Bildungsdirektionen. "Wir sind bereit, auch Dinge mitzutragen, die nicht unsere 100-prozentige Zustimmung haben", sagte Walser - entscheidend sei aber das "Gesamtpaket". Und das enthalte derzeit noch "viel Lyrik, wenig Substanz und keinen Mut", wie Walser kritisierte.

Er kündigte an, dass sich die Grünen als "beinharte Verhandler" erweisen wollen. Zumindest für die neuen Bildungsdirektionen und die Modellversuche zur Gesamtschule braucht die Regierung eine Verfassungsmehrheit - also die Zustimmung von FPÖ oder Grünen.

Dass Gesamtschul-Versuche maximal 15 Prozent der Schulen eines Bundeslandes erfassen sollen, ist den Grünen zu wenig. Insbesondere bei kleinen Bundesländern wie Vorarlberg, wo die Landesregierung ein Modellprojekt starten möchte, reiche das nicht aus. "Es muss möglich sein, dass Bundesländer zu Modellregionen werden", fordert Walser.

Außerdem verlangte er die "Entpolitisierung" der Schulverwaltung, ein Jahresarbeitszeitmodell für Lehrer statt der "Erbsenzählerei" bei den gehaltenen Stunden und die Abschaffung der schulautonomen Tage. Parallel zur gestärkten Schulautonomie müsse es auch mehr Mittel geben, etwa für Schwerpunktsetzungen: "Wenn Schulautonomie zur Mängelverwaltung verkommt, werden wir nicht zustimmen können." Sinnvoll wäre laut Walser etwa ein "Sozialindex" für Schulen, damit z.B. solche mit hohem Migrantenanteil auch mehr Geld erhalten. Positiv sieht Walser neben stärkerer Autonomie auch den geplanten Bildungskompass.

"Vieles wird nicht so kommen wie es gestern präsentiert wurde", sagte der stellvertretende Klubchef der NEOS, Nikolaus Scherak, angesichts der Pläne zur Bildungsreform. Von einer Vision sei jedenfalls kaum etwas zu bemerken, daher glaubt er auch nicht, dass man etwa die aus NEOS-Sicht zentrale umfassende Schulautonomie noch hineinverhandeln könnte. Trotzdem sei man zu Gesprächen bereit.

Das Team Stronach will der von der Regierung vorgestellten Bildungsreform auf keinen Fall im Parlament zustimmen. Vor allem die Pläne zu den Modellregionen für die gemeinsame Schule sind laut Klubchef Robert Lugar eine "gefährliche Drohung". Vorstellen kann er sich lediglich, einzelne Punkte der Reform "herauszugreifen" und umzusetzen.

Nicht nur notwendige Schritte zur Entmachtung der Bundesländer fehlten im Entwurf, so Lugar. Die Vorhaben zur gemeinsamen Schule seien "eine wirkliche Katastrophe". Dabei werde alles in einen Schultyp "gepfercht". Für jene Eltern in den geplanten Modellregionen, die ihr Kind nicht in die gemeinsame Schule schicken wollen, bleibe nur das Ausweichen in Privatschulen übrig, gab Lugar zu bedenken. Das Team Stronach will nun "mit allen Mitteln" gegen die Reform ankämpfen, denn: "Das sind nordkoreanische Drohungen."

Wiens Bürgermeister Häupl rechnet mit der Einführung einer gemeinsamen Schule als Regelschule in Wien bis 2025. Er sei überzeugt, dass dieser Prozess "in zehn Jahren machbar ist, technisch machbar ist, finanziell machbar ist und auch umgesetzt werden kann", so Häupl im Ö1-"Morgenjournal". Ob dies dann flächendeckend sein werde, werde "zu diesem Zeitpunkt dann entschieden".

Vorbereiten soll die Modellregion in Wien übrigens ein eigener weisungsfreier "Bildungsanwalt". Die Installierung dieser neuen Funktion hat Rot-Grün im Koalitionsübereinkommen festgeschrieben. Als aussichtsreichster Kandidat wird derzeit der Bildungsexperte Daniel Landau gehandelt, der den Einzug für die Grünen in den Gemeinderat knapp nicht geschafft hat. Die Bildungsanwaltschaft soll zudem mediatorisch tätig sein, um Konflikte zu vermeiden, und "zeitgemäße Pädagogik gemeinsam mit dem Stadtschulrat" vorantreiben, heißt es im Regierungspakt.

Auf breite Ablehnung von der Industriellenvereinigung (IV) bis zur Caritas stoßen die Pläne, die gemeinsame Schule lediglich in Modellregionen zu erproben. "Großen Diskussionsbedarf" ortet in diesem Punkt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer. Dass diese in jeden Bundesland nicht mehr als 15 Prozent aller Standorte der jeweiligen Schulart bzw. 15 Prozent aller Schüler der jeweiligen Schulart umfassen dürfen, sei etwa "ein Affront" gegenüber der Landesregierung Vorarlbergs, die diese Schulform gerne flächendeckend eingeführt hätte.

Insgesamt seien die Pläne zur Reform aber "deutlich mehr geworden als befürchtet. Aber nicht das, was wir erhofft haben", erklärte Neumayer. Es brauche nun einen breiten Diskurs über die Umsetzung. Positive Punkte seien unter anderem der künftige Ausbau des Breitband-Internets an Schulen und die geplante Einrichtung einer Bildungsstiftung zur Unterstützung von Schulprojekten im Bereich Digitalisierung.

Die ehemalige AHS-Direktorin und Vorsitzende der Initiative BildungGRENZENLOS, Heidi Schrodt, attestierte dem Reformpapier insgesamt das Fehlen einer "Vision". Angesichts der sich ankündigenden Regelung zu den Modellregionen (mit deren geplanter Evaluation 2025, Anm.), sei zu befürchten, "dass das mehr als zehn Jahre Stillstand" für die gemeinsame Schule bedeutet. Auch Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter sieht die Modellregion-Pläne kritisch. Hier sei man leider "auf halbem Weg stehen geblieben". Positive Aspekte sehen die Experten bei der Schulautonomie.