Für einen verpflichtenden, weltanschaulich möglichst neutralen "Ethik- und Religionenunterricht" im Umfang von zwei Stunden pro Woche für alle Schüler sprach sich am Mittwoch der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, aus. Der konfessionelle Religionsunterricht befinde sich "in der Krise" und sollte zukünftig gesondert und nur auf freiwilliger Basis angeboten werden.

"Gegen Radikalisierung"

Da der bisherige Religionsunterricht immer weniger Schüler erreiche, sei es umso wichtiger, dass Themen wie Gewalt, die Stellung der Frau in der Gesellschaft oder Standpunkte zur Todesstrafe in den Klassen gemeinsam und unter Anleitung diskutiert werden, heißt es von den Grünen. Das wäre auch eine Möglichkeit, der möglichen Radikalisierung von Schülern entgegenwirken, so Walser bei einer Pressekonferenz in Wien. Er werte die Vorstöße in Richtung "Ethikunterricht" aus der ÖVP in den vergangenen Wochen als Zeichen, dass die Volkspartei ihre bisherige Blockade aufgebe.

Angesichts der Tatsache, dass es in Österreich aktuell 16 Religionsgemeinschaften gibt, die theoretisch alle ein Recht auf einen eigenen Religionsunterricht haben, sei die flächendeckende Einführung des verpflichtenden Ethikunterrichts für alle laut Walser wahrscheinlich auch die kostengünstigere Variante. Für die Umsetzung der Maßnahme sei ein Zeitraum von etwa zehn Jahren realistisch.

Heinisch-Hosek will mehr Geld

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat unterdessen bei Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) bereits wegen zusätzlicher Finanzmittel für den Ethikunterricht vorgefühlt. Wie die Tageszeitung "Heute" (Mittwoch-Ausgabe) berichtet, habe sie eine Aufstockung des Budgets für ihr Ressort um 200 Millionen Euro für die zuletzt von mehreren Seite geforderte Einführung von Ethik und Politischer Bildung als eigene Fächer gefordert - was Schelling jedoch ablehnte. Die Kosten der von Walser geforderten Variante wurden 2011 bei einer parlamentarischen Enquete mit 106 Mio. Euro pro Jahr beziffert (ohne Gegenrechnung der Einsparungen bei Religion).

ÖVP: "Kommt nicht infrage"

"Nicht infrage" kommt für die ÖVP die Abschaffung des Pflicht-Religionsunterrichts zugunsten eines neuen Fachs Ethik. Die ÖVP sei seit jeher für einen Ethikunterricht nur für jene Kinder, welche den konfessionellen Religionsunterricht nicht besuchen, so Bildungssprecherin Brigitte Jank in einer Aussendung.

"Konfessioneller Religionsunterricht hat für eine werteorientierte Gesellschaft einen unverzichtbaren Stellenwert. Daran darf auch in Zukunft nicht gerüttelt werden", betonte Jank. Man müsse "aber auch jenen jungen Menschen eine Orientierung mit moralischen Werten ermöglichen, die - aus welchen Gründen auch immer - keinen konfessionellen Unterricht besuchen". Diese sollten an einem verpflichtenden Ethikunterricht teilnehmen.