Zwei Tage vor der Wahl präsentieren wir Ihnen hier noch einmal alle sieben EU-Spitzenkandidaten und ihre Ausgangslage vor dem Wahlsonntag. Eine Wechselwirkung mit den allgemeinen Interessen ist unvermeidlich.

Hier finden Sie alle Informationen zur Europa-Wahl.

Othmar Karas, ÖVP

Österreichische Konstante in Brüssel. Eines der bekanntesten Gesichter Österreichs in Brüssel ist Othmar Karas. Immerhin sitzt er schon seit 20 Jahren im EU-Parlament. Er ist Leiter der ÖVP-Delegation und war von 2012 bis 2014 sogar Vizepräsident des EU-Parlaments, einer der ranghöchsten Österreicher.

So anerkannt und renommiert Karas nach außen ist, so sehr hatte er immer wieder nach innen zu kämpfen. Bei der Europawahl 2009 wurde ihm parteiintern Ernst Strasser als Spitzenkandidat vorgezogen. Erst nachdem dieser wegen der Lobbying-Affäre zurücktreten musste, wurde er wieder zur Nummer eins.

Umstritten ist er bis heute: Zwar reihte ihn ÖVP-Chef Sebastian Kurz wieder auf Platz eins, aber nach langem Zögern und hauptsächlich deshalb, weil Karas innerhalb der türkis-blauen Koalition das ideale eine Ende des Bogens repräsentierte – am anderen Ende sitzt Harald Vilimsky (FPÖ).

Mit beiden zusammen hoffte man, einen breiten Teil der ÖVP-Wählerschaft zu erwischen. Gleichzeitig wurden alle anderen Kandidaten herzlich eingeladen, um Vorzugsstimmen zu buhlen – und Karas damit den Rang als Nummer eins streitig zu machen. Insbesondere die Steirerin Simone Schmiedtbauer, der Niederösterreicher Lukas Mandl und Staatssekretärin Karoline Edtstadler werfen sich dafür ins Zeug.

Für den kommenden Sonntag darf die ÖVP nach dem Ibiza-Desaster mit einem Mitleidseffekt rechnen – sie könnte ihre Position als derzeit stimmenstärkste Partei sogar noch ausbauen.

Andreas Schieder, SPÖ

Hier wittert einer Morgenluft. Österreich ist in seinen Grundfesten erschüttert, der Kanzler geknickt, die FPÖ am Boden zerstört. Einer, der ansonsten eher zurückhaltend wirkt, wacht jetzt erst so richtig auf. „Es ist eine Schande, dass die Räuberbande noch immer in der Regierung sitzt“, wettert SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder gegen die FPÖ – und hofft, dass er im Sog des Ibiza-Skandals nach oben fährt.

Die SPÖ ist die zweitstärkste österreichische Partei im EU-Parlament, an Mandaten gleichauf mit der ÖVP. Doch nach der Verwaisung an der Spitze durch den abrupten Abgang von Christian Kern kam sie nicht wieder richtig in Schwung.

Dass Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sich schon wieder sehr spät zu Wort meldete, nach wie vor zögerlich wirkt, hilft Schieder weniger, aber er hofft, dass das Entsetzen die Bürger zur Urne treibt. Schon eine Umfrage eine Woche vor Ausbruch der Regierungskrise hatte der SPÖ – als Gegenbewegung zur schwarz-blauen Regierung – ein Plus von drei Prozent verheißen.

Schieder ist neu in Brüssel, aber nicht neu auf dem politischen Parkett: Seit dem Jahr 1994 ist er politisch aktiv, von der Jugend über den Wiener Gemeinderat im Nationalrat gelandet. Unter Kern war er Klubobmann, Rendi-Wagner übernahm selbst die Funktion.

Harald Vilimsky, FPÖ

Suche nach rechten Freunden. Was kratzt mich meine Partei? Das würde Harald Vilimsky vermutlich gerne sagen. Kann er aber nicht: Er ist nicht nur EU-Spitzenkandidat, sondern auch amtierender Generalsekretär der FPÖ.

Vilimsky kämpft einen Kampf, der kaum zu gewinnen ist. Vor Bekanntwerden des Ibiza-Videos hatten Umfragen der FPÖ sogar noch ein Plus bescheinigt, doch die Wahl am Sonntag wird davon geprägt sein, dass viele FPÖ-Wähler zu Hause bleiben, andere möglicherweise dem „armen“ Sebastian Kurz (der natürlich gar nicht kandidiert, aber für den die ÖVP steht) die Stimme geben.

Harald Vilimsky und seine FPÖ rücken noch enger zusammen und werben mit dem Slogan „Jetzt erst recht“. Bei denen, die ihnen ganz verbunden sind, wird ihnen das sogar helfen. Die zahlreiche „Laufkundschaft“ der letzten Jahre werden sie eher verlieren. Der Blick der FPÖ ist aber ohnehin in die Ferne gerichtet.

Die Rechte in Europa will endlich den Zusammenschluss zu einer großen Fraktion erreichen – die zweitgrößte Gruppe im EU-Parlament könnte es werden. Alle anderen im politischen Spektrum fürchten sich genau davor und machen mobil. Es ist eine Richtungswahl, was nur in Österreich jetzt ein wenig in den Hintergrund gerückt ist.

Werner Kogler, Grüne

Eine jähe Doppelchance. Wer hätte es gedacht: Ganz plötzlich steht dem Grünen Werner Kogler nicht nur die Tür ins EU-Parlament für die politische Auferstehung offen, sondern in Kürze auch jene zum Nationalrat.
Kogler hat einen bravourösen Wahlkampf hingelegt, mit Starköchin Sarah Wiener im Schlepptau, der viele nicht zugetraut hätten, dass sie so schnell zu einer eloquenten Rednerin auf der politischen Bühne wird.


Die Grünen werden verlieren im Vergleich zur letzten Wahl, denn 2014 war ihnen mit 14,5 Prozent ein Höhenflug beschieden. Jüngste Umfragen haben ihnen aber bescheinigt: Ein zweistelliges Ergebnis ist möglich.

Claudia Gamon, Neos

Die einzige Frau im Ring. Sie war für viele die Überraschung dieses Wahlkampfs, weil sie sie vorher nicht kannten: Die 30 Jahre alte Vorarlbergerin Claudia Gamon ist die jüngste Kandidatin, und sie war oft die einzige Frau bei den vielen Fernsehdiskussionen, ein Alleinstellungsmerkmal, das sie optimal nützte.

Dazu kommt, dass der Medienwirbel um den Ibiza-Skandal noch einer zweiten Frau bei den Neos zu großer Medienpräsenz verhalf, Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Auch wenn die vorzeitige Festlegung auf eine Unterstützung von Kanzler Kurz diese in Nöte brachte. Die Neos werden mit Frauen-Power punkten (Ergebnis 2014: 8 Prozent).

Johannes Voggenhuber, "1 Europa"

Erfahrung und Tempo. Er ist seit 10 Jahren in Pension, und doch wirkt er bei Diskussionen oft jünger und reformwilliger als andere Kandidaten. Johannes Voggenhuber wollte es noch einmal wissen – er ließ sich überreden, für Jetzt von Peter Pilz zu kandidieren. Zumindest für eine Initiative, „1 Europa“, die von Jetzt unterstützt wird.


Voggenhuber ist mit 68 Jahren der Älteste in der Runde. Er saß von 1995 bis 2009 im EU-Parlament. Die Chancen auf einen Einzug ins EU-Parlament sind bescheiden. Was ihm zu schaffen macht, ist die Kurzatmigkeit dieses Wahlkampfes, bis hin zu „Speed-Datings“ und anderen Turbo-Events.

Katerina Anastasiou, KPÖ

Anwältin für die "echten Linken". Sieben Parteien stehen auf dem Stimmzettel für die EU-Wahl, die kleinste ist die KPÖ. Spitzenkandidatin Katerina Anastasiou ist geborene Griechin und lebt seit zwölf Jahren in Wien. Sie will von oben nach unten umverteilen, der Macht der großen Konzerne entgegentreten. Sie ist der Meinung, es braucht eine „echte Linkspartei“ als Gegengewicht zu den kapitalistischen Kräften. 2014 hat die KPÖ noch zusammen mit den Piraten kandidiert.

Die KPÖ-Kandidatin in der ORF-Pressestunde: