Die EU hat bei einem virtuellen Gipfel an China appelliert, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen, um den Krieg in der Ukraine zu stoppen. "Die internationale Gemeinschaft und namentlich China und die EU haben die Verantwortung, ihren gemeinsamen Einfluss und ihre Diplomatie zu nutzen, um ein Ende des russischen Kriegs in der Ukraine und der damit verbundenen humanitären Krise herbeizuführen", twitterte EU-Ratspräsident Charles Michel.

Michel meldete sich nach einem Gespräch mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang auf Twitter zu Wort. An dem Gespräch mit Li nahm auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teil. Im Anschluss war eine Videokonferenz der EU-Spitzen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping geplant.

Trotz seiner politischen Rückendeckung für Russland will China nach Darstellung von Ministerpräsident Li Keqiang mit den Europäern und der Weltgemeinschaft auf Frieden in der Ukraine hinarbeiten. Der Premier sagte nach chinesischen Angaben am Freitag nach den Gesprächen, China fördere "auf seine eigene Weise" Friedensgespräche.

Sein Land arbeite mit der EU und der Welt zusammen und wolle "eine konstruktive Rolle spielen, um die Lage zu entspannen, die Feindseligkeiten einzustellen, eine größere humanitäre Katastrophe zu verhindern und den Frieden bald zurückkehren zu lassen". China setze sich für Souveränität und territoriale Integrität, grundlegende Normen in internationalen Beziehungen und die Lösung von Konflikten "durch Dialog und Verhandlungen ein", wurde Li Keqiang vom chinesischen Außenministerium zitiert.

"Nicht Öl ins Feuer gießen"

Xi Jinping hat davor gewarnt, im Ukraine-Konflikt "Öl ins Feuer zu gießen und die Spannungen anzuheizen": Die "Grundursache der Ukraine-Krise sind die regionalen Sicherheitsspannungen in Europa, die sich über Jahre ausgebaut haben". Er bedauere zutiefst, dass die Lage in der Ukraine sich so entwickelt habe. Offenbar mit Blick auf Russland sagte Chinas Präsident, eine grundlegende Lösung wäre es, die "legitimen Sicherheitsinteressen" aller Parteien zu berücksichtigen. "In diesem Zeitalter sollten globale Sicherheitsrahmen nicht mehr auf einer Mentalität des Kalten Krieges aufgebaut sein." China unterstütze Europa, Russland, die USA und Nato, über die Spannungen zu sprechen und einen ausgewogenen und nachhaltigen Sicherheitsrahmen in Europa zu schaffen.

Mit der Ukraine-Krise müsse "angemessen" umgegangen werden, forderte Xi. Der regionale Konflikt dürfe sich nicht ausweiten. Die Welt dürfe nicht "als Geisel gehalten" werden und normale Menschen darunter leiden.

Der russische Ukraine-Krieg belastet die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking massiv und überschattet auch den virtuellen EU-China-Gipfel, der ursprünglich als Konferenz über Handelsfragen und die Klimakrise angelegt gewesen war.

Die Führung in Peking hat den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht verurteilt. Nach außen bietet sich China als neutraler Vermittler an, die staatlichen Medien folgen aber weitgehend der russischen Linie und kritisieren vor allem die USA und die Nato.

China gegen "Teilung in Blöcke und Parteinahmen"

Der für die Beziehungen zu Europa zuständige Abteilungsleiter im chinesischen Außenministerium, Wang Lutong, schrieb bei Twitter, Brüssel und Peking hätten sich darauf verständigt, "zusammenzuarbeiten, um den Frieden, die Stabilität und den Wohlstand in der Welt aufrechtzuerhalten". Zum Thema Ukraine habe Li gesagt, "dass China sowohl einen heißen Krieg als auch einen kalten Krieg ablehnt". China sei grundsätzlich gegen "die Teilung in Blöcke und Parteinahmen".

China ist der größte Handelspartner der EU. Die Beziehungen zwischen beiden Seiten hatten sich schon vor dem Ukraine-Krieg abgekühlt, unter anderem wegen der westlichen Sanktionen gegen Peking angesichts der Diskriminierung der Uiguren. Vor einer Androhung von Sanktionen gegen China, sollte es Russland offiziell im Krieg gegen die Ukraine unterstützen, schreckt die EU bisher allerdings zurück.

Die Hoffnung der EU ist dabei, dass die Führung in Peking sich der Bedeutung der EU als Wirtschaftspartner bewusst ist. So wurden 2021 zwischen China und den 27 EU-Staaten Waren im Wert von rund 700 Milliarden Euro gehandelt - die EU war damit mit Abstand der wichtigste Handelspartner Chinas. Russland taucht in der Liste der zehn wichtigsten Handelspartner Chinas nicht einmal auf.

Stattdessen stehen auf Platz zwei nach der EU die USA, die China für den Fall einer klaren materiellen Unterstützung Russlands sogar schon Sanktionen angedroht haben. Verhängt werden sollen Strafmaßnahmen insbesondere dann, wenn chinesische Unternehmen oder Banken die US-Sanktionen gegen Russland unterlaufen.

Die Welt nicht als Geisel halten

Die Welt dürfe nicht "als Geisel gehalten" werden und normale Menschen darunter leiden, forderte hingegen Präsident Xi. Das globale Wirtschaftssystem dürfe nicht "beliebig gestört" werden. "Noch weniger dürfen Versuche zugelassen werden, die Weltwirtschaft als Waffe einzusetzen und als Werkzeug, eigenen Ansichten zu dienen, weil solche Versuche eine ernste Krise der globalen Finanzen, von Handel, Energie, Technologie, Nahrung, Industrie und unter anderem der Lieferketten auslösen."

Russland und China hatten zuletzt wiederholt ihre enge Partnerschaft hervorgehoben. Bei einem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in China am Donnerstag hatte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums gesagt, die "chinesisch-russische Zusammenarbeit" sei "grenzenlos".