Es hätte eine Reisewoche sein können, aber es ist bei einer Homeofficewoche geblieben. So geht es einem halt manchmal, wenn alles gleichzeitig passiert. Diese Woche ist wieder Plenarwoche des EU-Parlaments in Straßburg, normalerweise ein Pflichttermin, aber ausnahmsweise ging sich der Ausflug nach Frankreich wegen einiger anderer Verpflichtungen nicht aus. Im Oktober gibt es aber eine zweite Straßburg-Session, da bin ich wieder dabei und voraussichtlich auch noch der Großteil der anderen üblichen Verdächtigen. Diesmal läuft aber eh noch fast alles virtuell, Straßburg Oktober II soll die Rückkehr zur Normalität bedeuten, es werden nur noch wenige auf die Reise verzichten. Mal sehen, wie das wird.

Zweiter Auswärtstermin wäre der EU-Gipfel in Slowenien gewesen. Das hätte sich freilich mit Straßburg nicht vertragen, war dann ohnedies bald anders gelöst – Kollege Christian Wehrschütz berichtet aus Brdo, wo es heute offensichtlich noch mehr geschüttet hat als hier in Belgien und das heißt was. Der Nicht-Reise nach Laibach fiel dann aber auch noch ein theoretisch möglicher, nun aber nicht angenommener Folgetermin in Athen zum Opfer, wo es wohl um Dinge wie Migration, die Beziehungen zur Türkei oder das Wiederaufbauprogramm gegangen wäre. Lauter Themen, die nicht verlorengehen und uns, fürchte ich, noch länger begleiten.

So blieb also Zeit für andere Dinge. Zum Beispiel für die Erkenntnis, dass im EU-Betrieb, weit weg vom Heimatland, die politischen Uhren gelegentlich doch ganz anders gehen. Weil nämlich: Die Grünen im EU-Parlament sind ihrem heimischen Koalitionspartner ÖVP gestern ganz schön in die Parade gefahren. Es ging um den Wald, den sieht man bekanntlich manchmal vor lauter Bäumen nicht, da hört sich die Freundschaft gleich wieder auf. Am Dienstag nämlich gab Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger eine Pressekonferenz zur neuen EU-Waldstrategie bis 2030, die seit Juli zur Bewertung durch die Mitgliedsländer und das Parlament aufliegt. Köstinger hatte sich Schützenhilfe geholt, die sechs waldreichsten Staaten der EU trafen sich zu einer Konferenz in Wien und sie waren, ebenso wie die gleichzeitig tagenden Verbände der europäischen Waldbesitzer, mit dem Vorschlag aus Brüssel alles andere als zufrieden.

Grund für die Kritik ist „die unausgewogene Berücksichtigung der drei Schlüsselkomponenten der Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch, sozial), die Nicht-Einbindung der Mitgliedsstaaten bei der Erstellung der Waldstrategie sowie die mangelnde Beachtung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten in der Forstwirtschaft im Sinne Subsidiarität“. Köstinger und ihre Amtskollegen, etwa Julien Denormandie (Frankreich), Julia Klöckner (Deutschland) oder Jari Leppä (Finnland) übermittelten mit Unterstützung der Waldbesitzer eine Erklärung an die Kommission, in der die Bedenken und Forderungen festgehalten sind. Leppä formulierte den Grundtenor: "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Forstbesitzer mit marktwirtschaftlichen Anreizen dazu ermutigt werden, ihre Wälder zu verwalten", sagte er. Die Multifunktionalität der Wälder solle in einer Produkt-, Umwelt- und Klimastrategie berücksichtigt werden.

Was uns wieder zurück ins EU-Parlament führt. Der Steirer Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, redete sich ob dieses Vorstoßes in Rage. Köstinger sehe ausschließlich den ökonomischen Wert des Waldes, dabei müsse man den Wald in die Klima- und Biodiversitätsstrategie unbedingt einbauen: „Sonst werden wir scheitern.“ Der Wald habe größtes Potenzial, CO2 zu binden. Das gehe über den Boden nur mit naturnaher Waldwirtschaft. Kahlschlag und schwere Maschinen würden zu Erosion führen. Köstinger verteidige die falsche Strategie und wolle dafür noch extra Geld aus der Unionskasse: „Das passt für Großgrundbesitzer, aber nicht für die 10.000 Waldbauern mit kleinen Strukturen:“

Was hier schön zu sehen ist: Auf EU-Ebene, besonders im Bereich des Europäischen Parlaments, verschwimmen die nationalen politischen Hintergründe gelegentlich völlig. Hin und wieder geht eine Abstimmung daher auch komplett anders aus, als es die Parteien „daheim“ gerne hätten – was das einzige multinationale Parlament der Welt durchaus sympathisch macht.