Wenn ein Land in den EU-Klub aufgenommen werden will, muss es einen langjährigen Annäherungsprozess überwinden und einen komplexen Punkteplan erfüllen. Was die Region Westbalkan angeht, dreht es sich aber nicht um ein Land, sondern um sechs – und die befinden sich in höchst unterschiedlichen Abschnitten des Verfahrens.

Serbien und Montenegro sind bisher am weitesten. Mit Serbien sind seit 2014 inzwischen 18 von 35 Kapiteln eröffnet, zwei abgeschlossen. Montenegro ist noch weiter, das Verfahren läuft seit 2012, alle 33 Kapitel sind eröffnet, drei davon erledigt. Albanien und Nordmazedonien warten seit drei Jahren auf den Beginn der Beitrittsgespräche, Bosnien-Herzegowina und Kosovo warten überhaupt erst auf den Status als Kandidat. Ratsvorsitzland und Gipfel-Gastgeber Slowenien möchte, dass bis Ende 2022 alle sechs Länder im Beitrittsstatus sind. Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn, der in seiner ersten Amtszeit für die Erweiterung zuständig war, hatte damals 2025 als schwieriges, aber mögliches Szenario für einen Beitritt bezeichnet, inzwischen wird 2030 genannt und auch das ist fraglich. Innerhalb der EU gibt es den Vorschlag, die sechs Länder „aufzuteilen“ und getrennt voneinander zu betrachten, allerdings warnen auch viele davor, da es die ohnehin durch Konflikte belastete Region weiter auseinanderdividieren könnte.

Der Gipfel wird sich in seiner Schlusserklärung dazu bekennen, den Erweiterungsprozess fortzusetzen, dies gleichzeitig aber damit zu verknüpfen, dass sich die Union selbst weiterentwickelt. Damit will man offensichtlich dem skeptischen Frankreich entgegenkommen, die Kandidaten hätten sich aber wohl ein deutlicheres Bekenntnis gewünscht, zumal mit dem Abschied von Angela Merkel bald eine wichtige Fürsprecherin fehlt. Parallel soll jedenfalls auch ein 30 Milliarden Euro schwerer Investitionsplan für den Westbalkan festgemacht werden.

Manfred Weber, EVP-Fraktionschef im EU-Parlament, spricht vom zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die pro-europäische Perspektive, gleichzeitig würde das Interesse Chinas und Russlands weiter wachsen. ÖVP-Abgeordneter Lukas Mandl räumt ein, dass der Prozess nur langsam vorankommt, sieht aber positive Signale: „Der Westbalkan kann so etwas wie das Silikon Valley Europas werden.“ SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder meint, „der Geduldsfaden wird irgendwann reißen. Seit Jahren heißt es: einen Schritt nach vorne, zwei zurück.“ Die EU verliere an Glaubwürdigkeit, die Finanzspritze sei kein Ersatz für die echte Perspektive. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erhofft sich vom Gipfel „ein Aufbruchssignal mit einer klaren Botschaft an die Länder, dass ihre Zukunft in der EU liegt“.