Viktor Orban, ungarischer Premierminister im Dauerclinch mit der EU, ist nicht zimperlich, wenn er in kämpferischer Laune ist. Obwohl damals beide noch in der EVP-Parteienfamilie vereint waren, verweigerte Orban dereinst dem früheren Kommissionschef Jean-Claude Juncker die Stimme schon bei dessen Kür und begann im EU-Wahlkampf 2019 eine hässliche Plakatkampagne gegen Juncker, den er mit Erzfeind George Soros gleichstellte. Ungarn und Polen sind die beiden größten Nettoempfänger der EU, und beide Länder lassen dennoch kaum eine Gelegenheit aus, auf Gegenkurs zu Brüssel zu gehen.

Der jüngste Anlassfall, das umstrittene ungarische Gesetz, das sich in den Augen der meisten anderen EU-Mitglieder auf infame Weise gegen LGBTIQ-Menschen, gegen Demokratie und Grundwerte der EU richtet, führt nun zu einer erstaunlichen Fortsetzung. Beim EU-Gipfel letzte Woche war Orban ja von den anderen Staats- und Regierungschefs ordentlich der Kopf gewaschen worden (abgesehen von Polen natürlich und auch Slowenien, seit heute Ratsvorsitzland, hielt sich zurück). Während die Kommission nun an der Einleitung rechtlicher Schritte arbeitet, versucht Orban bereits einen europaweiten Gegenschlag – der aber wohl nicht ganz so läuft, wie gedacht.

Quer über den Kontinent versucht sich Ungarn als großzügiger Inseratenkunde führender Zeitungen und will ganzseitige Anzeigen schalten; am Kopf befinden sich die Insignien der ungarischen Regierung, gezeichnet ist der Text von Orban persönlich. In Brüssel, so ist dort zu lesen, arbeite man an einem „Superstaat“ und Ungarn sage nein zu einem „europäischen Imperium“. Dann geht es weiter mit Argumenten gegen NGOs, gegen Migration und das EU-Parlament. Orban will, dass die „engere Union“ aus den Verträgen gestrichen wird und die Aufnahme Serbiens als Mitglied.

Es gab Medien, die das Inserat druckten; Le Figaro in Frankreich, ABC in Spanien, der dänische Jyllands-Posten oder auch Mlada fronta DNES in Tschechien. Viele andere Zeitungen aber verweigerten das Geschäft – von der „Irish Times“ bis zu De Morgen und La Libre in Belgien, vom „Luxemburger Wort“ bis zur „Malta Times“. Letztere erklärte in einem Editorial die Beweggründe: Man habe in der 86-jährigen Geschichte der Zeitung stets die Anzeigenabteilung und die Redaktion strikt voneinander getrennt: „Heute aber haben wir eine ganzseitige Anzeige (und das Geld dafür) abgelehnt, die von einem Premierminister kommt, der dafür berüchtigt ist, gegen Menschenrechte zu agieren und der die freie Presse im eigenen Land eingeschränkt hat.“ Würde man das Inserat veröffentlichen, würde sich die Zeitung zu einem Instrument machen lassen und Unterstützung signalisieren für „einen Premierminister, der gegen Journalisten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und andere Menschenrechte vorgeht.“

Eine regenbogenbunte Antwort

Ähnlich drückte es auch Karel Verhoeven, Chefredakteur des belgischen „De Standaard“ aus: es wäre zu zynisch, einem Regierungschef, der die freie Presse in seinem Land einschränkt, Medienplatz zu verkaufen. In Hinblick auf das LGBTIQ-Gesetz schrieb er: „Wenn in einem europäischen Land das Gesetz vorschreiben soll, welche Liebe legitim ist und wie wir über Liebe sprechen können, müssen wir dem alle Freiheiten entgegensetzen, die wir haben.“

Um das zu unterstreichen, antwortete der „Standaard“ auf Orbans Auftrag selbst mit einer ganzseitigen Anzeige, in Regenbogenfarben gehalten. Und einem einzigen Satz: „Lieber Viktor Orban, Gesetze sollten niemals Liebe von Liebe unterscheiden.“