Einmal geht’s noch vor dem Sommer. Am Donnerstag und Freitag sind die Staats- und Regierungschefs wieder in Brüssel beim Sommergipfel. Mit ein bissl hitzeflirrender Fantasie klingt Sommergipfel fast so wie Sommerg´spritzter, aber diese phonetische Allegorie führt auf die falsche Fährte: sieht so aus, als würde es doch kein sommerlich-lockerer, lauwarmer Gipfel werden, wenn man sich so die (berechtigte) Welle der Empörung anschaut, die das ungarische Gesetz auslöst, das sich gegen homo- und transsexuelle (junge) Menschen richtet. Die Staats- und Regierungschefs werden morgen Abend beim Dinner ein paar Worte mit ihrem ungarischen Amtskollegen reden. Vielleicht wird es dabei laut, aber mit Hendlhaxerln wird wohl keiner werfen.

Im Zweifel kann man immer noch abwarten, wie die Kommission vorgeht, die gestern zumindest wild entschlossen klang, die schwere juristische Artillerie aufzufahren. Und dann soll sich halt auch das EU-Parlament drum kümmern, dort wächst der Ärger ohnehin schon exponentiell. EP-Präsident David Sassoli, der, wie üblich, ganz am Anfang des Gipfels seine Redezeit hat, hat heute gleich einmal einen Brief an die Kommissionspräsidentin geschickt. „Cara Ursula“ hat er mit der Hand draufgeschrieben, und dann kommt eine nicht so joviale Aufzählung der Schlussfolgerungen und Resolutionen, die sich mit der Rechtsstaats-Konditionalität befassen. Kurz zusammengefasst: Ein Land, das so ist wie Ungarn gerade, soll nicht ungeschoren davonkommen

Dabei gibt es auch noch andere ernste Themen beim Gipfel. Corona hält Europa und den Rest der Welt immer noch in Schach, nach dem Nato-Gipfel letzte Woche muss sich die EU wieder einmal mit ihrem Umgang mit der Türkei befassen, Russland steht auch schon wieder auf der Agenda und so weiter und so fort. Ich denke Russland wird spannend, der Hohe Außenbeauftragte Josep Borrell soll seinen Lagebericht abliefern. Wie schwierig es ist, funktionierende Maßnahmen in Gang zu bringen, hat man in den letzten Tagen erst bei der Ausweitung der Sanktionen gegen Weißrussland gesehen. Österreich hat da lange nachdenken müssen, denn wir haben ja intensive wirtschaftliche Beziehungen in das Land, etwa durch A1 (Telekom) oder die Raiffeisen Bank International (RBI). Sanktionen können also schnell zum Schuss ins eigene Knie werden; selbst die Flugverbote mögen zwar wirksam sein, machen aber auch das Reisen für Oppositionelle oder deren Unterstützer noch einmal schwieriger.

Sommergipfel kann aber auch heißen, dass man das Augenmerk aufs Positive lenkt. Erstens geht es jetzt, am Beginn der Ferienzeit und angesichts der Lockerungen und Öffnungen, wohl einmal darum, den Schwung der allgemeinen Stimmungsaufhellung mitzunehmen, zweitens macht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel nur einen Zwischenstopp auf ihrer Europatournee, auf der sie die ganz großen Scheine unters EU-Volk bringt. Im Juli beginnen die Milliarden des Wiederaufbauprogramms zu fließen – das und das mittlerweile doch sehr gut vorangetriebene Impfprogramm sollen die EU über den Sommer aus der Talsohle bringen, in der sie die Meinungsumfragen zuletzt verortet haben.

Jetzt muss sich dann auch zeigen, wie der Sommer mit dem digitalen oder auch papierenen 3G-Zertifikat in der Praxis so läuft. In Belgien waren sie recht fix, ich zum Beispiel habe die digitalen Bestätigungen in aller Form und in mehreren Sprachen seit letzter Woche auf dem Handy gespeichert. Ich glaube, von der Leyen und ich haben den Grünen Pass am gleichen Tag in die App gekriegt. Sie hat ihn von da an schon überall hergezeigt, wo sie als „Billion Euro Baby“ aufgetreten ist, zahlreiche Bilder aus zahlreichen Ländern belegen das. Ich hab´ ihn auch schon hergezeigt, aber nur in Gasthäusern. Hat überall gut funktioniert.

Nicht so gut funktioniert das Reisen in Zeiten von Corona übrigens an einem anderen Schauplatz. Ich meine damit das Fliegen, ich war nämlich übers Wochenende in der Heimat und habe die Dienste der ansässigen Fluggesellschaft in Anspruch genommen. Vor dem Abflug nach Österreich hat mir jene dann ein Info-Mail geschickt, wonach das Ausfüllen des österreichischen Einreiseformulars zwingend notwendig sei. Allerdings war es das schon seit einer Woche nicht mehr. Ich habe es trotzdem ausgefüllt, um nicht am Flughafen noch zurückgewiesen zu werden, man weiß ja, dass die Boden-Variante des fliegenden Personals mitunter recht harsch sein kann. Vor dem Rückflug hat die Airline mir dann mitgeteilt, dass die belgische Regierung nur Menschen ins Land lässt, die einen frischen PCR-Test vorweisen können.

Das ist nicht nur falsch, das war auch nie richtig. Man muss ein Formular ausfüllen; aber nur dann, wenn man zu einer Quarantäne verdonnert wird, muss man an Tag eins derselben und kann an Tag sieben einen PCR-Test machen – aber schon in Belgien. Als Reisenden aus Österreich trifft einen das derzeit nicht. Ein sinnloser, terminlich schwer zu schaffender und in diesem Fall auch noch kostenpflichtiger Test war mir dann doch zuviel, da nahm ich gerne das minutenlange Gedudel der Servicehotline in Kauf. Eine sehr nette Dame ließ mich dort dann gar nicht erst ausreden, sie kannte das Problem bereits von meinen ca. 10.000 Vorgängern, die ebenfalls verstört dort angerufen hatten. Offensichtlich gelingt es dem luftigen Unternehmen wochenlang nicht, zwei E-Mail-Texte, die automatisch verschickt werden, an die realen Gegebenheiten anzupassen. Jeden Tag, sagte sie, würden die Beschwerden weitergegeben, und jeden Tag kommen die falschen Mails wieder zu den Kunden. Der Sommer, so scheint mir, birgt auch nach dem Gipfel und den anderen 3Gs so manche Herausforderung.