Am Montag feierte Donald Trump seinen 75. Geburtstag, was aber ganz gewiss nicht der Grund war, dass er im gläsernen Hauptquartier des Bündnisses im Nordosten von Brüssel als unsichtbarer Gast anwesend zu sein schien. Trump ist nicht mehr US-Präsident, sein Nachfolger Joe Biden ist nun am Zug und seine erste große Reise nach Europa, die Gipfel-Tour von G7 über Nato und EU bis hin zur Begegnung mit Wladimir Putin, ist hauptsächlich mit einer Aufgabe verbunden: die Scherben, die Trump hinterlassen hat, aufzusammeln und einen Neustart mit den Partnern hinzulegen.

Diese zeigen sich, ob nun Nato oder EU, voller Zuversicht. Dafür lieferte Biden auch gleich gute Gründe. Am Rande seines ersten Tages in Brüssel traf er Estlands Regierungschefin Kaja Kallas, Lettlands Staatspräsident Egils Levits und Litauens Präsident Gitanas Nauseda und unterstrich die starke Unterstützung der USA für die Sicherheit des gesamten Baltikums. Biden legte gleich zu Beginn ein klares Bekenntnis zur Militärallianz ab: Die Nato sei wichtig für die Interessen der USA, sagte er und nannte die wechselseitige Beistandsverpflichtung „heilig“.

Im 79 Punkte umfassenden Gipfel-Kommunique legen sich die Mitgliedsstaaten auch gleich einmal fest, diese Verpflichtung auf den Weltraum und den Cyberspace auszuweiten. Klar ist, wohin der Blick fällt: Russland und China stehen auf beiden Seiten des Atlantiks im Fadenkreuz, obgleich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versuchte, die Türen offenzulassen: „Wir treten nicht in einen neuen Kalten Krieg ein und China ist nicht unser Gegner und nicht unser Feind.“ Das ist auch eine Botschaft für die EU – bei Klimawandel, Rüstungskontrolle und in wirtschaftlichen Bereichen ist man auf China angewiesen. Dennoch wurde klar ausgesprochen, was Sache ist: Russland verstoße gegen Werte und Prinzipien der Allianz sowie gegen internationale Verpflichtungen, China stelle „eine systemische Herausforderung für die regelbasierte internationale Ordnung“ dar.

Einzelgespräche mit Erdogan

Eine der wichtigsten Fragen wurde in Einzelgesprächen hinter verschlossenen Türen behandelt: Emmanuel Macron, Angela Merkel und schließlich Joe Biden trafen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zusammen, dem Vernehmen nach auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Ein EU-Diplomat aus dem Rat hatte in Vorbereitung auf das heutige EU-Treffen davon gesprochen, dass derzeit im Umgang mit der Türkei „leichte Entspannung“ festzustellen sei. Bekannt wurde, dass nach dem Abzug aller Kräfte aus Afghanistan die Sicherung des Flughafens mithilfe aus der Türkei erfolgen soll. Biden hatte noch vor seinem Wahlsieg einen härteren Kurs gegenüber der Türkei angekündigt, die sich wegen des Ankaufs russischer S-400-Raketenabwehrsysteme auch schon den Groll Trumps zugezogen hatte. Nun klingen die Worte diplomatischer, die Rede ist von „Herausforderungen im Verhältnis und Fragen der Menschenrechte.“

Stoltenberg drückte sich nach dem Gipfel jedenfalls deutlich aus. „Alle waren sich einig, dass USA und Europa zusammenstehen müssen – besonders gegenüber autoritären Regimes wie Russland oder China.“ Die Beziehung zu Russland sei am tiefsten Punkt seit dem Kalten Krieg angelangt: „Moskaus aggressives Vorgehen ist eine Bedrohung für unsere Sicherheit.“

Am Dienstag geht die Gipfeltournee des US-Präsidenten weiter, er trifft auf die EU-Spitzen. Die Pandemie ist eines der Themen, zwei Drittel der Weltbevölkerung sollten bis zum Ende nächsten Jahres geimpft sein, lautet das Ziel, sowohl EU als nun auch die USA wollen ihre Impfstoffexporte erhöhen. Eine eigene EU-US-Taskforce soll das Tempo erhöhen, Technologien und Kräfte bündeln. Zusammenarbeiten will man auch im Kampf gegen „neue“ Gefahren, wie gezielte Desinformation oder Cyberattacken.