Frontex kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Sind es einmal Vorwürfe wegen illegaler Pushbacks und fragwürdige Abläufe an den Außengrenzen und ein andermal Säumigkeit beim Aufbau der neuen Strukturen, kommt nun der EU-Rechnungshof ins Spiel und übt Kritik an der EU-Agentur.

Erstmals knöpften sich die Luxemburger Prüfer die Gebarung und die Effizienz von Frontex vor, das Ergebnis passt auf betrübliche Weise ins übrige Bild. „Die von Frontex geleistete Unterstützung reicht nicht aus, um illegale Einwanderung und grenzüberschreitende Kriminalität zu stoppen“, heißt es in dem Bericht. Die Prüfer bezweifeln, dass die Agentur ihrer neuen, ausgeprägteren Rolle gerecht werden kann und befinden, dass das bereits 2016 in Gang gesetzte Mandat nicht vollständig umgesetzt wurde.

Damals schon war der Auftrag klar formuliert worden: Frontex sollte die Mitgliedsländer bei der irregulären Migration bzw. der Abwehr illegaler Einwanderer unterstützen und gleichzeitig im Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität eingesetzt werden. Während des österreichischen Ratsvorsitzes, bei dem der Schutz der Außengrenzen eines der Hauptthemen war, wurde beschlossen, die Agentur massiv aufzuwerten. 10.000 Mann bis 2027 lautet das Ziel. 2019 hatte Frontex gerade einmal 750 Beschäftigte. Seither wurde der Finanzpolster von Jahr zu Jahr dicker: 2006, zwei Jahre nach der Gründung, hatte Frontex ein Jahresbudget von 19 Millionen Euro. Vergangenes Jahr, 2020, waren es mittlerweile 460 Millionen, im Endausbau sollen es 900 Millionen sein.

Holprige Zusammenarbeit

Doch von Beginn an war die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten holprig, sie hatten keine Freude mit „fremden Uniformierten“ an ihren eigenen Grenzen. Einer der wesentlichen Kritikpunkte der Prüfer: Sie stellten fest, dass Informationen nur lückenhaft und uneinheitlich ausgetauscht werden, was Frontex und die Mitgliedstaaten dabei beeinträchtige, die Außengrenzen zu überwachen und erforderlichenfalls auf Bedrohungen zu reagieren. Auch seien die Daten, die für die Analyse von Risiken und Schwachstellen benötigt würden, nicht immer vollständig und von guter Qualität.

"Bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Einwanderung an den EU-Außengrenzen spielt Frontex eine wesentliche Rolle", so Leo Brincat, das für den Bericht zuständige Mitglied des Rechnungshofs. "Dieser Auftrag wird von Frontex zurzeit jedoch nicht wirksam erfüllt.“ Das gebe vor allem deshalb Anlass zur Sorge, weil Frontex nun auch noch zusätzliche Aufgaben erhält. Die Verdoppelung des bereits massiv erhöhten Budgets auf 900 Millionen Euro sei festgelegt worden ohne zu ermitteln, was die Agentur konkret benötigen würde.

Konkrete listete der Rechnungshof nun eine Mängelliste auf. Demnach weist der Rahmen für den wichtigen Informationsaustausch „Lücken und Unstimmigkeiten“ auf. Die meisten Länder melden etwa nicht, wenn es an den Grenzen zu Zwischenfällen kommt. In der Folge, so heißt es, „vermittelt das von Frontex zusammengestellte europäische Lagebild kein echtzeitnahes Bild der Lage an den Luftgrenzen oder den Land- und Seegrenzübergangsstellen der EU“. Es gebe keine einheitlichen technischen Standards, dazu kommt noch, das Frontex aus rechtlichen Gründen oder wegen des Datenschutzes keinen Zugang zu EU-weiten IT-Systemen hat, in denen etwa Visadaten, Asylanträge und Bewegungen von Personen, vermisste Personen (insbesondere Kinder) und Informationen zu bestimmten Gegenständen des persönlichen Besitzes erfasst sind, deshalb kann die Agentur auch nicht die Risikoberichte in der Form liefern, in der sie nötig wären. Daraus und aus dem prinzipiellen Unwillen der Länder ergibt sich das Paradoxon, dass ein integriertes Risikomodell (CIRAM), mit dessen Entwicklung Frontex beauftragt worden war, mittlerweile 19 von 20 befragten Staaten nutzen, bloß Frontex selbst nicht.

Keine solide Bewertung

In den Augen der Luxemburger Prüfer führt die Agentur keine solide Bewertung von Aktionen durch, liefert keine Begründungen in Fällen, in denen der Ressourceneinsatz von den Plänen abweicht und stellt auch keine Informationen über die tatsächlichen Kosten der durchgeführten Aktionen bereit. Mangelnder Datenfluss ist demnach auch die Ursache dafür, dass die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität nicht funktioniert. Die Prüfer nennen das Beispiel Kokain: in Europa herrscht ein Überangebot, deshalb versuchen Kartelle, die EU als „Verteilerstation“ zu nutzen und schicken „im Testbetrieb“ Kuriere von Irland aus weiter nach Australien oder Neuseeland. Entsprechende Erkenntnisse samt Festnahmen wurden aber nicht im Grenzüberwachungssystem EUROSUR nicht erfasst.

Der Rechnungshof schließt seine Prüfung mit einer Reihe von Empfehlungen ab; bei Kommission und Frontex selbst stimmt man diesen Empfehlungen in den meisten Punkten zu. Man sei sich, so heißt es in der Antwort von Frontex, durchaus der Mängel bewusst. Gleichzeitig wird einiges relativiert und darauf hingewiesen, dass es um eine verschränkte Aufgabe gehe – etwa in Kooperation mit Zollbehörden, Interpol und Europol.