Die Schweiz, kein Mitgliedsland der EU, hat der Union ein schönes Geschenk gemacht. Zum vierten Mal in 20 Jahren haben sich die Eidgenossen mit großer Mehrheit gegen eine Begrenzung der Personenfreizügigkeit ausgesprochen und damit für eine der vier Grundfreiheiten der EU. Der Ausgang der Volksabstimmung hatte sich zwar abgezeichnet, dennoch war die Erleichterung zu spüren, mit der etwa Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder Ratspräsident Charles Michel am Sonntag reagierten.

Das eindeutige Votum ist ein klares Signal an Brüssel - und an London. Ein im Raum stehender "Schwexit" wäre das Letzte gewesen, was die EU in den stockenden Vertragsverhandlungen mit Großbritannien gebrauchen hätte können. Gleichzeitig lässt sich der Ausgang auch als Absage an den Rechtspopulismus der Schweizerischen Volkspartei (SVP) interpretieren.

Allerdings sollte man sich nicht täuschen lassen, denn die EU-kritischen Stimmen nehmen auch in der Schweiz zu. Was nicht zuletzt dazu geführt hat, dass ein von Brüssel forciertes neues institutionelles Rahmenabkommen mit der Schweiz seit zwei Jahren feststeckt, obwohl es im Grunde fertig ausgehandelt ist.

Die Schweiz ist mit mehr als 150 Einzelabkommen mit der EU verknüpft und leistet auch einen nicht zu knappen Beitrag ins EU-Budget oder direkt in Programme der Europäischen Union, an denen sie gut mitpartizipiert. Dazu gehören etwa 1,2 Milliarden Euro, die Bern an die Kohäsionsländer im Osten überweist und damit der EU zu Hilfe kommt.

Wirtschaftlicher Pragmatismus

Freilich muss man die Kirche im Dorf lassen: Die Schweiz macht das weniger aus europäischem Feuereifer als vielmehr aus wirtschaftlichem Pragmatismus heraus. Das Land inmitten der EU profitiert ebenso wie etwa Liechtenstein oder die Norweger oben im Norden von der Teilhabe am Binnenmarkt. Und natürlich auch von den Arbeitskräften in den Grenzregionen, deren Einsatz eine Abkehr von der EU ein Ende gefunden hätte. Das alles gilt im Grunde auch für die Briten, und die Klarheit, mit der das Schweizer Volk diese Erkenntnis ausdrückte, sollte ihnen gerade jetzt, in der entscheidenden Phase, zu denken geben. Auch die Briten wollen Rosinen picken - bloß ohne jede Gegenleistung.

Die Schweizer zeigten ihre Entschlusskraft aber auch noch an anderer Stelle und in diesem Fall kann Österreich über den Grenzzaun zu den Nachbarn schauen. Die Anschaffung von etwa 30 bis 40 neuen Abfangjägern stand zur Disposition und knapp, aber doch, sprach sich eine Mehrheit dafür aus - 5,5 Milliarden Euro sind veranschlagt, das Volk findet das in Ordnung, bewahrt aber Sinn für Realitäten.

Die Schweiz ist ein reiches Land und hat jahrzehntelange Erfahrung mit direkter Demokratie. Der Sonntag lieferte schöne Beispiele für die Funktionsfähigkeit dieses Modells.