Verbissen hatte die türkis-blaue Regierung eines ihrer Sparprojekte verteidigt, das von Beginn an für heftige Kritik im Land und quer durch Europa sorgte: Die Indexierung der Familienbeihilfe. Im Jahr 2019 hatten ÖVP und FPÖ Sozialleistungen für im Ausland lebende Kinder an die Lebenshaltungskosten in ihrer Heimat angepasst, auch wenn ihre Eltern in Österreich in das Sozialsystem einzahlen. Das betraf vor allem Kinder, die in Ungarn, Rumänien oder der Slowakei leben und deren Eltern – meist die Mütter – in Österreich in der Betreuung alter und kranker Menschen arbeiten. Jene dringend benötigten Betreuerinnen also, die man nun fast schon verzweifelt einfliegen lässt oder für die man mit viel Tamtam einen Sonderzug organisieren muss.

Weil die Anpassung aber auch in die andere Richtung erfolgte, erhielten Kinder in Italien, Spanien, Frankreich, Schweden, den Niederlanden, Norwegen oder der Schweiz mehr Geld. Die erhofften Einsparungen blieben weit in der Folge hinter den Erwartungen; statt 114 Millionen Euro sparte man bloß 62 Millionen Euro.

Im Gegenzug dazu handelte sich Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission ein, weil so eine Regelung mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Die damals zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte die Indexierung als „zutiefst unfair“ bezeichnet – sie verhindere nicht einen „Sozialtourismus“, sondern treffe diejenigen Menschen, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen.

Betroffen waren zum Beispiel auch Kinder von slowenischen Pendlern, auch im Nachbarland hatte die österreichische Haltung zu Unmut geführt. Man könne nicht Kinder, die EU-Bürger sind, wahlweise als Bürger erster oder zweiter Klasse behandeln, sagte letztes Jahr etwa die EVP-Abgeordnete Romana Tomc.

Von Beginn an schien klar, dass der österreichische Weg an den Grundfesten der Gleichbehandlung rütteln würde. Die Familienbeihilfe ist kein Geschenk, sie entsteht aus der Steuerleistung im Arbeitsland. Mit der türkis-blauen Logik, die offensichtlich auch in der neuen Regierung verteidigt wird, könnte man auch argumentieren: Einer Salzburger Familie steht mehr Geld zu als eine burgenländischen, weil die Lebenshaltungskosten anders sind. Das wäre wohl nicht nachvollziehbar. Ganz abgesehen davon, dass differenzierende Systeme ein europäisches Chaos auslösen würden - sollte man dann nicht auch die Renten anpassen? Müsste man dann nicht jede Familie jedes Jahr neu bemessen?

Österreich blieb dennoch bei seiner Haltung und bekommt jetzt die Rechnung präsentiert. Das Vertragsverletzungsverfahren der EU mündet nach einem Jahr in einer Klage beim EuGH. Schließt dieser sich der Meinung der Kommission an und verurteilt die Alpenrepublik, drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe.

In diesem Fall wäre das hartnäckig verfolgte Projekt wohl ein teurer Schlag ins Wasser gewesen. Ein Zeichen pro-europäischer Gesinnung war es sowieso nicht. Und von Prestige braucht dann auch niemand mehr zu sprechen.