Der "Green Deal" wird am heutigen Donnerstag beim Gipfel der 28 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf dem Tisch liegen.

Bis zum Mond und wieder zurück: Die EU hat sich viel vorgenommen, um die drohende Klimakatastrophe abzuwenden oder zumindest abzumildern. Der „neue grüne Deal“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sei „Europas ,Mann auf dem Mond‘-Moment“. In der Tat versucht die Kommission gerade, die gesamte Union auf einen Paradigmenwechsel einzuschwören und mit einem massiven Programm die kommenden Jahre völlig unter ein Generalmotto zu stellen: Die EU will bis 2050 klimaneutral sein.

Das Maßnahmenpaket umfasst rund 50 einzelne Punkte, viele davon sollen schon im Lauf des kommenden Jahres schlagend werden. Vorgabe ist, dass es nicht Gewinner und Verlierer gibt, sondern das alle profitieren – niemand soll zurückgelassen werden, heißt es. Schon im März soll es einen konkreten Vorschlag für ein „Klimagesetz“ geben, unter anderem, um ein Zwischenziel zu erreichen. Bisher hatte man für 2030 eine CO2-Reduktion um 40 Prozent angestrebt, das wird nun auf 50 oder sogar 55 Prozent erhöht. Ein noch höherer Wert sei unrealistisch, sagte der für die Umsetzung zuständige Vizepräsident Frans Timmermans im EU-Parlament. Das Parlament steht der Initiative grundsätzlich wohlwollend gegenüber, muss aber jeden der Eckpfeiler auch unterstützen können. Energierichtlinien und Emissionshandel sollen adaptiert werden, es gibt neue Strategien für Windkraftanlagen und Industriebetriebe. Unter anderem ist die Rede von einer Null-Emission in der Stahlerzeugung, etwa durch den Einsatz von Wasserstoff.

Strengere Abgasregelungen für Fahrzeuge stehen ebenso auf der Agenda wie neue Mobilitäts-Ansätze. Die Landwirtschaft will man nachhaltiger gestalten, etwa durch Förderungen „grüner“ Produktionsmethoden und die Reduzierung von Pestiziden und Antibiotika. Dazu kommen noch eine EU-weite Forststrategie und generell aktive Vermeidung von Umweltverschmutzung. Weiters will man Anreize schaffen, alte Gebäude zu sanieren oder gleich durch neue, energieoptimierte zu ersetzen.

Kohle für die Kohle

Einer der Hauptpunkte bietet auch eine der größten Angriffsflächen. Jene Länder, die am ehesten Klima-Nachzügler sind, brauchen besondere Unterstützung. Das betrifft Länder im Osten, die stark auf Kohle setzen. Um „Kohle“ im weiteren Sinn des Wortes geht es dabei aber auch, denn der Weg zu den Klimazielen ist dort besonders teuer. Ein „Just Transition Fonds“ soll für den Übergang 100 Milliarden Euro lockermachen. Kritiker befürchten, dass die EU damit erpressbar wird. Beim heute beginnenden EU-Gipfel erhofft man sich zwar ein einstimmiges Bekenntnis zu den neuen Zielen, doch zumindest drei Länder – Polen, Tschechien und Ungarn – legen sich schon quer, sie sind besonders abhängig von der Kohle.

Die nächste Baustelle tut sich bei der Atomkraft auf. Sie gilt zwar laut Frans Timmermans definitiv nicht als „nachhaltig“, emittiert aber kein CO2; angesichts des steigenden Strombedarfs, etwa durch E-Mobilität, bleibt Atomenergie im geduldeten „Energiemix“ der Mitgliedsländer. Wieder sind es die Visegrad-Staaten mit Anführer Tschechien sowie Bulgarien und Rumänien, die den Einsatz von Atomenergie als Beitrag zum Klimaschutz verankert sehen wollen. In Brüsseler Diplomatenkreisen heißt es, dass Frankreich als Strippenzieher agiere.

Österreich und Luxemburg haben sich klar dagegen ausgesprochen und wollen nicht zusehen, wie Mittel aus dem Übergangsfonds für den Ausbau von AKWs genutzt werden. Befürchtet wird nun, dass die Bereitschaft, den „grünen Deal“ mitzutragen, mit dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen verknüpft wird. Die Rede ist davon, dass der „Deal“ rund eine Billion Euro benötigt. Die Kommission rechnet aber vor, dass es noch viel teurer kommen würde, nicht zu handeln. Eine globale Klimaerwärmung um drei Grad würde die EU allein 190 Milliarden Euro jährlich kosten, etwa durch Steigerung der Lebensmittelpreise, Wasserknappheit, Naturkatastrophen oder Klimaflüchtlinge.