Die Besatzung des deutschen Rettungsschiffes "Alan Kurdi" mit 88 Migranten an Bord geht davon aus, am Sonntagvormittag im Hafen von Tarent (Taranto) in Süditalien anzukommen. "Wir werden Taranto voraussichtlich am Sonntag um 8.00 Uhr morgens erreichen", sagte Sea-Eye-Sprecher Gordon Isler am Samstag. "Wir sind froh, dass diese Seeblockade nun doch endlich beendet worden ist."

Das Innenministerium Italiens hatte dem Schiff die Erlaubnis erteilt, dort anzulegen. Nach fast einer Woche auf dem Mittelmeer war die Crew zuvor in italienische Hoheitsgewässer eingefahren. Die Organisation Sea Eye begründete das mit dem schlechten Wetter.

"Das Wetter wird immer schlechter, die Leute an Deck werden nass, wir haben (am Freitag) am frühen Nachmittag entschieden, dass das Schiff Schutz in der Nähe der Küste suchen muss", sagte Isler der Deutschen Presse-Agentur. Die "Alan Kurdi" hatte die Migranten am Samstag voriger Woche an Bord genommen.

Mit rechtlichen Konsequenzen rechne die Organisation nicht, denn sie habe nicht illegal gehandelt. Ansonsten hätte Italien die Einfahrt in seine Gewässer verwehrt. "Das war ein juristisch einwandfreies Verhalten", betonte Isler mit Verweis auf das Seerecht. Dieses erlaube Seeschiffen die freie und friedliche Durchfahrt durch Gewässer von Küstenstaaten. Dies sei erst durch den damaligen Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini infrage gestellt worden.

Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, Deutschland und Frankreich wollten 60 Migranten der "Alan Kurdi" aufnehmen, Portugal 5 und Irland 2. Der Bürgermeister von Tarent, Rinaldo Melucci, sagte, seine Stadt bereite sich auf die Ankunft vor und werde nicht zögern, diesen Menschen in Not in der kurzen Zeit ihres Aufenthalts beizustehen.

200 Menschen gerettet

Inzwischen kam es zu einer weiteren Rettungsaktion. Das italienische Frachtschiff "Asso Trenta" hat in der Nacht auf Samstag 200 Migranten gerettet. Die von Libyen abgefahrenen Menschen wurden in internationalen Gewässern in Sicherheit gebracht, wie die Hilfsorganisation "Alarm Phone" berichtete. Die italienischen Behörden seien informiert worden.

"Diese Migranten flüchten aus Libyen und können nicht mehr dorthin zurückkehren. Sie müssen nach Europa gebracht werden", twitterte die Organisation. Die "Asso Trenta" befinde sich zurzeit vor der Küste von Tripolis.

Im Mittelmeer verkehrende Frachtschiffe haben seit 2014 rund 84.000 Migranten gerettet, wie der Verband der italienischen Reedereien bei seiner Versammlung am Donnerstag in Rom berichtete. Er forderte von der Regierung in Rom Klarheit bei der Anwendung italienischer und internationaler Regeln in Sachen Rettungspflicht im Meer. Am häufigsten seien seit 2014 italienische Frachtschiffe bei der Migrantenrettung zum Einsatz gekommen.

9.648 Migranten sind seit Anfang 2019 in Italien eingetroffen. 2018 waren es noch 22.031 und 2017 111.401 gewesen. In diesem Jahr sei die Zahl der Ankünfte von Asylwerbern gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 um 56 Prozent zurückgegangen, teilte das Innenministerium in Rom mit.

Italien will Abkommen ändern

Italien will das 2017 mit Libyen abgeschlossene Kooperationsabkommen in Migrationsfragen verlängern, es jedoch in einigen Aspekten ändern. So fordert Italien ein Treffen einer bilateralen Kommission mit Mitgliedern aus beiden Ländern zur Änderung einiger Punkte des Abkommens, wie am Samstag aus der italienischen Regierung verlautete.

Das Abkommen mit Tripolis, das sich am (heutigen) 2. November automatisch verlängert, werde nicht gekündigt, sagte Außenminister Luigi Di Maio vor dem Abgeordnetenhaus in Rom. Hilfsorganisationen hatten sich dafür ausgesprochen, angesichts der miserablen Lage für Migranten in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland die Zusammenarbeit zu stoppen. Die Regierung wolle das Abkommen aber verbessern, sagte Di Maio.

Bei der Übereinkunft geht es darum, Migranten zu stoppen, die von Libyen aus über das Mittelmeer nach Europa wollen. Das Memorandum, das die damalige sozialdemokratische italienische Regierung Mitte 2017 mit der international anerkannten Regierung in Tripolis unterzeichnete, wurde von informellen Vereinbarungen mit diversen libyschen Milizen begleitet. Gemeinsam mit der EU zahlt Italien auch für die Ausrüstung der libyschen Küstenwache. Die Zahl der Migranten, die Italien erreichen, ist seit 2017 drastisch gesunken.

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