1 Boris Johnson hat
endlich Vorschläge für eine neue Brexit-Lösung gemacht. Ist das ein Durchbruch?

Nein. Neu ist bloß, dass es nach lauter verwirrenden Wortmeldungen nun ein konkretes Papier gibt, über das man in Brüssel beraten kann.

2 Weiß man nun also, was die Briten wollen?

Im Grunde leider immer noch nicht, denn die Vorschläge ergeben kein schlüssiges Bild. Johnson möchte auf der einen Seite Nordirland nach dem Brexit in einer Zollunion mit Großbritannien lassen, an der Grenze zu Irland (und damit zur EU) soll es dennoch keine Kontrollen geben. Johnson stellt sich vor, dass auch innerhalb Großbritanniens nur über Onlineformulare und gleich auf Firmengeländen kontrolliert wird – Kontrollen, die also die EU betreffen – , gleichzeitig soll Großbritannien aber Handelsverträge mit Drittländern abschließen können – das alles ist ein Widerspruch in sich.

3 Wie reagiert die EU
darauf?

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich vorsichtig optimistisch, weil nun immerhin ein Papier auf dem Tisch liegt. Doch wies er umgehend darauf hin, dass der Vorschlag eine Reihe von Problemen aufwirft, die erst gelöst werden müssten. Weniger diplomatisch fiel die Antwort des Europäischen Parlaments aus: Es hält die jüngsten Brexit-Vorschläge schlicht für unzureichend. Die in letzter Minute eingereichten Pläne seien „keine Basis für eine Vereinbarung, der das Parlament zustimmen könnte“, erklärte die Brexit-Gruppe nach einer Aussprache mit Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier. Die britischen Vorschläge „gehen nicht auf die wirklichen Fragen ein, die gelöst werden müssten, wenn der Backstop entfallen würde“, heißt es. Das beträfe die Wirtschaft auf der irischen Insel, die Achtung des Karfreitag-Abkommens und die Unversehrtheit des EU-Binnenmarktes.

4 Welches Ziel verfolgt Johnson tatsächlich?

In Brüssel gehen sehr viele davon aus, dass es dem britischen Premier im Grunde nur noch darum geht, der EU die Schuld an einem allfälligen Desaster zuschieben zu können – das sogenannte „Blame Game“. Demnach könnte er nach einem harten Brexit behaupten, er selbst habe ohnehin alles versucht, bloß die EU sei den Briten nicht entgegengekommen.

5 Wie wird es konkret weitergehen?

Das ist die große Frage. Selbst gewiefte Juristen können nicht einmal genau sagen, wer auf der anderen Seite des Ärmelkanals der korrekte Ansprechpartner ist, solange es vom Parlament und vom Premier unterschiedliche Haltungen gibt. Die Kommission hat einmal mehr betont, „24/7“ an Lösungen zu arbeiten.

6 Kommt also doch eine weitere Verlängerung über den 31. Oktober hinaus?

Auch das ist derzeit noch offen. Die EU hat immer wieder signalisiert, dass eine Verschiebung des Austrittsdatums ein weiteres Mal möglich ist, wenn es akzeptable Gründe dafür gibt. Ein Antrag dafür müsste aber von den Briten kommen – was, wenn das Parlament dafür eintritt, der Premier aber keinen Antrag stellt?

7 Welche Schritte folgen als Nächstes?

Die Kommission wird auf den Vorschlag Johnsons antworten und dabei neue Fragen aufwerfen. In Brüssel findet am 17. und 18. Oktober ein EU-Gipfel statt – wieder einmal geht es um Gedeih und Verderb.