Es wäre eine große Überraschung, würde Johannes Hahn heute durchfallen. Drei Stunden lang muss der designierte Budget-Kommissar den Ausschüssen des EU-Parlaments Rede und Antwort zu seinem Schlüsselressort stehen; Hahn, der schon zwei Perioden als Kommissar tätig war (erst Regionalpolitik, dann Nachbarschaft und Erweiterung) weiß, was auf ihn zukommt, und er gilt im Gegensatz zu manch anderen Kandidaten nicht als umstritten.
Dennoch ist das Hearing keine einfache Sache, darum spricht man auch nach amerikanischem Muster von „grillen“.

Das EU-Parlament prüft die Kandidaten auf Herz und Nieren und scheut nicht davor zurück, einzelne von ihnen über die Klinge springen zu lassen. Diese bittere Erfahrung mussten schon vor Beginn der Anhörungen die Rumänin Rovana Plumb und der Ungar László Trócsányi machen, die beide wegen Interessenskonflikten bzw. groben Unklarheiten in der finanziellen Gebarung abgelehnt wurden. Beide Länder mussten Ersatzkandidaten nominieren.

Gegen eine Reihe weiterer Nominierter gibt es Vorbehalte. So ging gestern die Französin Sylvie Goulard in die Offensive, weil die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde „Olaf“ wegen falscher Abrechnungen ermittelt hatte – es half nichts, die EVP lehnte sie zunächst ab und will einen weiteren Termin. Vielleicht auch als Retourkutsche für Emmanuel Macron, der das Spitzenkandidatenmodell des Parlaments (und damit EVP-Mann Manfred Weber) zu Fall gebracht hatte. Der designierte Außenbeauftragte Josep Borrell aus Spanien (er ist am Montag dran) zahlte eine Geldstrafe wegen eines Insiderdelikts. Vorwürfe gab es auch gegen den belgischen Kandidaten Didier Reynders. Janusz Wojciechowski (Polen, Agrar) und Ylva Johansson (Schweden, Inneres) werden ein weiteres Mal befragt bzw. müssen Antworten nachreichen.

Von der Leyen unter Druck

Das Parlament kann die Kommission als Ganzes zurückweisen, deshalb steht Ursula von der Leyen unter Druck. Allerdings liegt es an den Mitgliedsländern, Kandidaten zu nominieren – die Einflussnahme von der Leyens ist begrenzt.

Johannes Hahn hat vorab auf Fragen des Parlaments geantwortet. So schließt er Verzögerungen beim nächsten EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 nicht aus. Die EU könne sich dies angesichts von Herausforderungen wie Klimaschutz, Migration und Sicherheit zwar nicht leisten, „aber es ist nicht etwas, was wir gänzlich ausschließen können“, so Hahn. Eine weitere Verschiebung des Brexits würde Notfallpläne bedingen und hätte Auswirkungen, die man noch nicht im Detail abschätzen könne.

Vor dem Österreicher ist der Italiener Paolo Gentiloni an der Reihe, der ausgerechnet das Wirtschaftsressort übernehmen soll, am Abend folgt der Grieche Margaritis Schinas, der ins Kreuzfeuer geriet, weil sein Ressort den Namen „Unseren europäischen Lebensstil schützen“ trägt und das Thema Migration betrifft. Mehrere Fraktionen fordern konkrete Deutung und eine Umbenennung.