Ein Notizzettel; ein Blatt Papier, vom Block heruntergerissen; manchmal bloß eine Serviette vom Lunch – fast jeder, der mit den Fraktionen im EU-Parlament zu tun hat, kann derzeit einen Wisch hervorholen, auf dem mögliche Berechnungen für den Ausgang der Stimmabgabe am Dienstag gekritzelt sind.

Bei ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause können die Volksvertreter ein Machtwort sprechen: Damit die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, wie von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, neue EU-Kommissionspräsidentin als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker werden kann, braucht sie die absolute Mehrheit im Parlament. Nach derzeitigem Stand sind das 374 Stimmen – und bis zum letzten Augenblick ist nicht klar, ob sich das ausgeht.

Die Prognosen besagen, dass sie es knapp, aber doch schaffen könnte, doch der Preis dafür ist hoch. Von der Leyen, die vor knapp zwei Wochen beim dreitägigen EU-Marathongipfel quasi aus dem Hut gezaubert wurde, hatte für das Amt gar nicht kandidiert und geht somit ohne wirkliches Programm in die Entscheidung. Ihre Auftritte bei den einzelnen Fraktionen, in denen sie überaus vage blieb und mehr oder weniger jedem Anliegen eine hohe Priorität zuwies, überzeugten viele nicht. Die Grünen etwa wollen sie ebenso wie die Linken nicht wählen, die Sozialdemokraten sind geteilt (Deutsche und Österreicher unterstützen die CDU-Kandidatin nicht) und selbst die Liberalen geben sich zumindest öffentlich zögerlich.

Rechts der Mitte

Bleiben also, neben der EVP, die rechts angesiedelten Fraktionen, die sich bereits (mit Ausnahme der FPÖ) zustimmend geäußert haben. Oder auch, innerhalb der EVP, die ungarische Fidesz, gegen die Fraktionsführer und abgelehnter Spitzenkandidat Manfred Weber zu wenig energisch vorging – sie will von der Leyen unterstützen. Sie selbst sprach in Brüssel von einem „holprigen Start“; fällt sie durch, beginnt die neue Periode mit einem unnötigen Scharmützel zwischen Parlament und Rat. Schafft sie es gerade so, dann ist das für die dann mächtigste Frau in der EU auch kein Ruhmesblatt.