Jeremy Hunt überraschte das Publikum und seinen Rivalen für den Parteivorsitz bei den Konservativen, Boris Johnson. Großbritanniens Außenminister griff seinen Vorgänger im Foreign Office, den Favoriten beim Kampf um die Theresa-May-Nachfolge, auf unerwartete Weise an.

Am einzigen Tag, an dem sich Johnson zu einem Fernsehduell mit Hunt bereitfand, markierte der eher betuliche Hunt den „starken Mann“ gegenüber dem US-Präsidenten. Zu Donald Trumps Schimpfkanonade gegen Premierministerin May und Großbritanniens Washington-Botschafter Kim Darroch stellte Hunt fest, so gehe das nun wirklich nicht.

Trumps Verhalten gegenüber May sei schlicht „unhöflich und falsch“, erklärte der Minister. Verbündete müssten „einander mit Respekt behandeln“, wie es Theresa May immer getan habe mit Trump. Und Trump müsse auch wissen, dass britische Botschafter von der britischen Regierung ernannt würden: „Wenn ich Premierminister werde, bleibt unser Botschafter im Amt.“

Klare Ansage

Hunts Landsleute staunten. Einen derart bestimmten Ton hatten sie vom „Underdog“ nicht erwartet. Boris Johnson aber fand sich in der Defensive, einfach so. Am Nachmittag noch hatte er sich seiner „guten Beziehungen“ zur Trump-Administration gerühmt. Beim Fernsehduell am Abend suchte er dann nach Kräften der Frage auszuweichen, ob auch er den Botschafter auf seinem Posten belassen würde.

Eigentlich hatte der etwas müde wirkende Johnson nicht erwartet, sich verteidigen zu müssen. Hinter ihm stehen allen Umfragen zufolge drei Viertel der 160.000 Tory-Mitglieder, die bereits mit der Briefwahl begonnen haben. Nicht leisten kann sich Johnson aber, dass er sich Trump allzu sehr anbiedert und am Ende, wie seine Kritiker bereits höhnen, als „Gouverneur des 51. US-Staates“ dasteht. Schließlich hat er seinen Briten immer neu versprochen, dass ihnen nach der Befreiung vom EU-Joch die große Selbstbestimmung winke – und nicht eine Abhängigkeit neuer Art.
Der Brexit stand, wie zu erwarten, im Zentrum der TV-Debatte. Dabei beharrte Johnson darauf, dass Großbritannien um jeden Preis am 31. Oktober aus der EU ausscheiden müsse. Nur so, mit einem Ultimatum, könne man die EU zum Einlenken zwingen. Auch eine „Beurlaubung“ des Parlaments bis zum Austrittsdatum, zwecks Ausschaltung parlamentarischen Widerstands, schloss er nicht aus. Dagegen drängte Hunt auf ein flexibleres Vorgehen. Ob er denn glaube, „bis Weihnachten“ so weit zu sein, fragte ihn Johnson spöttisch.

Keinerlei Sympathien zeigten beide Kandidaten unterdessen für ein neues Brexit-Referendum, wie es nun sogar Labour-Chef Jeremy Corbyn ins Auge fasst. Bisher hatte sich Corbyn in dieser Frage vorsichtig zurückgehalten. Gestern erklärte er aber, jeglicher „Tory-Brexit“ erfordere eine neue Volksabstimmung. Und Labour werde in diesem Fall für den Verbleib in der EU zu Felde ziehen.