ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat am Freitag der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein über den künftigen österreichischen EU-Kommissar ans Herz gelegt. Das erklärte Kurz nach einem Gespräch mit von der Leyen in Berlin gegenüber österreichischen Journalisten.

Namen oder Zuständigkeiten für den künftigen Kommissar seien bei der Unterredung nicht besprochen worden, erklärte Kurz. Das sei Aufgabe der Regierungschefs. In Österreich entscheiden über den EU-Kommissar der Ministerrat und der Hauptausschuss des Nationalrates, in dem eine Mehrheit gefunden werden muss. Bierlein hat dazu schon Gespräche mit den Parlamentsparteien aufgenommen. Bekannt ist, dass die ÖVP nach ihrem Erfolg bei der EU-Wahl den Posten für sich beansprucht.

Österreich will aktive Rolle

Kurz hat nach eigenen Angeben bei dem Gespräch mit von der Leyen, bei dem keine Journalisten zuglassen waren, auch den Wunsch Österreichs deponiert, eine aktive Rolle in Europa zu spielen. Er habe für ein stärkeres Miteinander in der EU und auch für eine Versöhnung mit den osteuropäischen Staaten plädiert. Dies bedeute einen Umgang auf Augenhöhe mit diesen Ländern, aber nicht einen Stopp der Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und Polen.

Von der künftigen EU-Kommission erwartet der frühere Bundeskanzler eine nachhaltige Lösung des Problems der illegalen Migration, einen funktionierenden Außengrenzschutz und dass die Wettbewerbsfähigkeit der EU mit dem Umweltschutz in Einklang gebracht wird. Von der Leyen wollen in den nächsten zehn Tagen ihr Programm vorlegen. Daran arbeite sie derzeit mit Hochdruck, berichtete Kurz. Sowohl er als auch von der Leyen selbst hätten sich zuversichtlich gezeigt, dass die derzeitige deutsche Verteidigungsministerin vom EU-Parlament als Kommissionspräsidentin bestätigt wird.

Italien erhebt Ansprüche

Die italienische Regierung hat mittlerweile den Posten des EU-Wettbewerbskommissars beansprucht. Premier Giuseppe Conte habe diesen Wunsch bei Gesprächen mit den anderen EU-Regierungschefs ausgedrückt, berichtete die italienische Tageszeitung "La Stampa" (Freitagsausgabe).

Die Lega, die bei den EU-Parlamentswahlen am 26. Mai zur stärksten Einzelpartei Italiens avanciert ist, will den Posten mit einem Vertrauensmann besetzen. Indiskretionen zufolge will die Lega ihren amtierenden Landwirtschafts- und Tourismusminister Gian Marco Centinaio als Kandidat vorschlagen.

Als Alternative gilt Staatssekretär Giancarlo Giorgetti. Dieser dementierte jedoch Interesse am prestigereichen Posten in Brüssel. Er sei in Rom nützlicher, meinte Giorgetti, "Nummer Zwei" der Lega und enger Vertrauter von Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini.

Sollte sich die mit der Lega verbündete Fünf Sterne-Bewegung gegen die Kandidatur eines Lega-Politikers stemmen, müsste eine parteiunabhängige Persönlichkeit ins Rennen geschickt werden, meinten Insider. Als möglicher Kandidat gilt der ehemalige italienische Außenminister Franco Frattini, der bereits den Posten des EU-Justizkommissars bekleidet hatte.