Das Europaparlament (EP) hat den Sozialdemokraten David-Maria Sassoli zu seinem Präsidenten für die nächsten zweieinhalb Jahre gewählt. Der Italiener erreichte im zweiten Wahlgang am Mittwoch die absolute Mehrheit, gab der ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani bekannt, der die Sitzung in Straßburg leitete.

Der neu gewählte EU-Parlamentspräsident fordert eine gemeinsame Vision für Europa und ein "Gegenmittel gegen die Entartung der Nationalisten, die unsere Geschichte vergiftet haben". Die EU brauche jetzt eine Vision, dazu seien die europäischen Parteien und neue Instrumente nötig, sagte Sassoli nach seiner Wahl am Mittwoch in Straßburg.

Mit 345 Stimmen durchgesetzt

Sassoli habe sich mit 345 Stimmen gegen die Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller (119 Stimmen), die spanische Linke Sira Rego (43) und den tschechischen Konservativen Jan Zahradil (EKR, 160) durchgesetzt. Die Europäische Volkspartei (EVP) hatte keinen Kandidaten ins Rennen geschickt, gemäß den Gepflogenheiten im Parlament will sie den Posten für die erste Hälfte der Legislaturperiode der sozialdemokratischen Fraktion überlassen. Auch die liberale Fraktion "Renew Europe", mit 108 Mitgliedern die drittstärkste Gruppe, ernannte keinen eigenen Kandidaten.

Am zweiten Wahlgang nahmen 704 Abgeordnete teil, 37 der Stimmzettel waren ungültig. Als nächstes steht die Wahl der Vizepräsidenten des Parlaments an. Der Leiter der ÖVP-EU-Delegation und langjährige EP-Mandatar Othmar Karas kandidiert als erster Vizepräsident.

SPÖ- und ÖVP-EU-Delegationsleiter gratulieren Sassoli

Die ÖVP- und SPÖ-EU-Delegationsleiter haben dem italienischen Sozialdemokraten David-Maria Sassoli zu seinem Sieg bei der Wahl des EU-Parlamentspräsidenten am Mittwoch gratuliert. "Mit David Sassoli hat das EU-Parlament seit heute einen erfahrenen Sozialdemokraten an der Spitze, der sich für mehr Eigenständigkeit unserer Institution einsetzen wird", freute sich der SPÖ-Politiker Andreas Schieder.

"Ich gratuliere David-Maria Sassoli zu seiner Wahl als Präsident des Europaparlaments und hoffe auf gute Zusammenarbeit", teilte Othmar Karas, Leiter der ÖVP-EU-Delegation mit. Karas hatte am Mittwochvormittag seine Kandidatur als Erster Vizepräsident des Europaparlaments angekündigt. Die Abstimmung über die Vizepräsidenten beginnt gegen 16.00 Uhr.

Kritik von Grünen

Kritik kam vonseiten der Grünen. Mit Sassolis Wahl drehe "das von den EU-Staats- und RegierungschefInnen angestoßene Postenschacher-Karussell eine weitere Runde", kommentierte Delegationsleiterin Monika Vana. Die Wahl der Grünen Kandidatin Ska Keller wäre ein starkes Signal gegen "die gestrigen Rat-Hinterzimmerdeals in Brüssel" gewesen. Jedoch sei "die Mehrheit der SPE- und EVP-Abgeordneten der Direktive des Rats gefolgt" und damit die "Abkehr vom SpitzenkandidatInnen-Prinzip" auch vom Parlament abgesegnet worden.

Die größte Parteienfamilie im Europaparlament, die Europäische Volkspartei (EVP), hatte keinen Kandidaten ins Rennen geschickt, nachdem am Dienstag das Personalpaket für die Besetzung der EU-Topjobs bekannt geworden war, das die deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin vorsieht. Der CSU-Politiker Manfred Weber trat zeitgleich als Spitzenkandidat der EVP zurück.

Gemäß den Gepflogenheiten im Parlament will die EVP den Posten für die erste Hälfte der Legislaturperiode den bei der EU-Wahl als zweitstärkste Fraktionen hervorgegangenen Sozialdemokraten überlassen. Auch die liberale Fraktion "Renew Europe", mit 108 Mitgliedern die drittstärkste Gruppe, ernannte keinen eigenen Kandidaten.

Ex-Starmoderator aus Italien

In Brüssel ist er vielen unbekannt, obwohl er schon seit gut zehn Jahren im EU-Parlament sitzt. Doch in Italien ist David Sassoli, neugewählter Präsident des Europaparlaments, ein vertrautes Gesicht. Schließlich war der 63-jährige Sozialdemokrat jahrelang ein beliebter Moderator der RAI-Abendnachrichten

Mit seinen blauen Augen, seinem toskanischem Charme und einem dynamischen Stil war Sassoli als Fernsehmoderator in Italien sehr erfolgreich. Seine Karriere als Journalist begann der 1956 in Florenz geborene Sassoli bei lokalen Zeitungen, bevor er 1985 in die römische Redaktion der Mailänder Tageszeitung "Il Giorno" wechselte. 1992 schaffte er den Sprung zu TG3, dem Nachrichtensender von RAI 3. Dabei befasste er sich vor allem mit der Mafia und Organisierter Kriminalität.

1999 kam er als Sonderkorrespondent in die Redaktion von TG1, der Hauptnachrichtensendung von RAI 1. Jahrelang moderierte er die Abendnachrichten. 2007 wurde er Vize-Chefredakteur von TG1 und Verantwortlicher für mehrere Programme, bei denen aktuelle Nachrichten vertieft wurden. Von 2004 bis 2007 war er Vorsitzender des römischen Journalistenverbands.

Schwere Enttäuschung

2009 kandidierte er in den Reihen des PDS, Vorgängerpartei des heutigen Partito Democratico (PD), für einen Sitz im EU-Parlament und eroberte dabei in seinem mittelitalienischen Wahlkreis 412.500 Vorzugsstimmen. Daraufhin versicherte er, er wolle der Politik den Rest seines Lebens widmen. Drei Jahre später musste Sassoli jedoch eine schwere Enttäuschung hinnehmen. Er beteiligte sich an Urwahlen in Rom für die Kür des linken Bürgermeisterkandidaten, verlor jedoch im Duell gegen den Genueser Chirurgen Ignazio Marino, der später zum Stadtchef gewählt wurde.

Sassoli kandidierte im Jahr 2014 erneut bei den EU-Parlamentswahlen, als seine PD-Partei - beflügelt vom politischen Erfolg des damaligen Premiers Matteo Renzi - ein Rekordhoch von 40,8 Prozent der Stimmen erreichte. Die Vorzugsstimmen Sassolis halbierten sich gegenüber der Wahl im Jahr 2009, doch im Juli 2014 rückte er mit 393 Stimmen zum Vizepräsidenten des EU-Parlaments auf.

Das letzte Kapitel von Sassolis politischer Karriere wurde bei der EU-Wahl am 26. Mai geschrieben. Der Florentiner schaffte seine dritte Wiederwahl mit 128.533 Vorzugsstimmen. Am Mittwoch rückte er zum Präsidenten des Europaparlaments auf und folgt einem weiteren Italiener, dem Vertrauten von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, Antonio Tajani.