Sollte der Dauerstreit der Wahlkampfmonate und das "konfliktbeladene Klima" anhalten, sei er zum Rücktritt bereit, kündigte Italiens Premier Giuseppe Conte an. Dabei hat Italiens populistische Regierung gerade erst ihr erstes Jahr im Amt gefeiert. Dauerstreit zwischen den Koalitionspartnern und ein schwelender Haushaltsstreit mit der EU dämpften die Feierlaune in Rom. Die Regierung hofft zwar auf eine Einigung mit Brüssel in Sachen Defizit, doch der Ausgang der Verhandlungen mit der EU ist ungewiss.

Der lange Wahlkampf mit Konflikten zwischen den Regierungsparteien habe zu einer wesentlichen Verschlechterung des politischen Klimas beigetragen. "Die Kräfte der Mehrheit müssen sich ihrer Verantwortung im Klaren sein", so Conte. Er sei nicht bereit, dahinzusiechen, sollten die beiden Parteien nicht geschlossen die Regierung unterstützen. "Es ist jetzt Aufgabe der politischen Kräfte, eine Entscheidung zu treffen: Ich erwarte mir eine klare Antwort, weil das Land nicht warten kann", warnte der parteilose Premier.

Nur mit "loyaler Zusammenarbeit" zwischen den Regierungsparteien könne das Kabinett weiter arbeiten. Conte erklärte sich bereit, eine "Phase zwei" der Regierungstätigkeit einzuleiten. Prioritär seien in dieser neuen Phase Wirtschaftswachstum und Steuersenkung im Einklang mit den EU-Regeln, die laut Conte respektiert werden müssten, solange diese nicht geändert werden könnten. Er sei bereit, sich weiterhin für die "Regierung des Wandels" einzusetzen, die seit einem Jahr in Italien im Sattel sei. Italien benötige jedoch eine "weitsichtige Planung", die die Kräfte aller Koalitionspartner benötige.

Ständige Provokationen

Die Italiener hätten bei den EU-Wahlen ihr Vertrauen in der Regierung bestätigt. Ständige Provokationen und Konflikte zwischen den Regierungskräften würden jedoch die Kommunikation beeinträchtigen und an Energien nagen. "Die Italiener rufen uns zur Fortsetzung unserer Arbeit auf und wir müssen mit höchster Konzentration weiterarbeiten", sagte Conte.

Lega und Fünf Sterne-Bewegung reagierten mit Dialogbereitschaft auf Contes Ultimatum. "Wir haben nie aufgehört, für Italien zu arbeiten. Wir haben darauf verzichtet, auf Polemik und Beschimpfungen zu reagieren. Das haben die Italiener mit neun Millionen Stimmen für die Lega anerkannt", so Matteo Salvini auf Facebook. "Wir wollen weiterarbeiten und haben keine Zeit zu verlieren", sagte Salvini und listete Prioritäten des Wahlprogramms auf, zu denen Steuersenkung, Förderung des Wirtschaftswachstums und Infrastrukturen zählen. Die Fünf Sterne-Bewegung sei Conte gegenüber loyal, versicherte Verkehrsminister Danilo Toninelli, Spitzenpolitiker der Bewegung.

Klima des Verfalls

Die Opposition reagierte kritisch auf Contes Rede. Die Sozialdemokraten (PD) sprachen von einem "Klima des Verfalls in der Regierung". Der Premier solle im Parlament prüfen, ob er noch über eine Mehrheit verfüge, so die PD-Partei. In dieser Lage sei das Weiterregieren unmöglich. "Die Worte Contes haben de facto eine Regierungskrise eröffnet. Wegen des Dauerstreits zwischen den Koalitionspartnern kann diese Regierung nicht weitermachen. Conte soll den Mut haben, um im Parlament über den Stillstand der Regierung zu berichten, der seit Monaten andauert", so der PD-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Graziano Delrio.

Expremier Matteo Renzi sprach von einem "traurigen Tag für die italienischen Institutionen". Conte sei ein Premier der nichts zähle, nichts entscheiden und nicht regieren könne. Er sei ein "Hampelmann" seiner Vizepremiers Salvini und Di Maio.