Der Pendelverkehr zwischen Brüssel, Straßburg und Luxemburg  ist ein Ärgernis für Politiker und Beamte in den Institutionen Europas, die ständig auf gepackten Koffern sitzen. Bei ihnen rennt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit seiner Forderung, sämtliche Sitzungen nach Brüssel zu verlegen, offene Türen ein, aber nicht nur bei ihnen.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten der EU einigten sich 1992 einstimmig darauf, im EU-Vertrag die Sitze der EU-Organe dauerhaft festzulegen. Der offizielle Sitz und der Ort, an dem die meisten Plenartagungen des EU-Parlaments stattfinden, ist seitdem Straßburg, die parlamentarischen Ausschüsse treten in Brüssel zusammen, und offizieller Sitz des Generalsekretariats des Parlaments (also die Zentrale der Parlamentsbediensteten) ist Luxemburg. Im Jahr 1997 wurde diese Regelung in den EU-Vertrag aufgenommen.

Für jede Änderung dieses Systems ist also eine Änderung des Vertrags erforderlich, die von den Regierungen aller Mitgliedstaaten einstimmig vereinbart und von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Das macht die Sache so kompliziert, denn auch wenn alles für einen gemeinsamen Tagungsort Brüssel spricht. Frankreich beharrt auf Straßburg, schon aus Gründen der Symbolik, und das kleine Luxemburg kämpft um einen wichtigen Anker.

Alle für nur einen Tagungsort

In der Sache sind sich eigentlich alle einig, dass es klug wäre, Parlament, EU-Kommission und EU-Rat am selben Ort zu konzentrieren. Auch bei der Diskussion der EU-Spitzenkandidaten auf Einladung der Kleinen Zeitung und der Bundesländerzeitungen in Salzburg sprachen sich alle Kandidaten für einen einzigen Tagungsort aus. Fünf Kandidaten (Othmar Karas, ÖVP, Andreas Schieder, SPÖ, Claudia Gamon, Neos, Johannes Voggenhuber, Liste Jetzt, und Werner Kogler, Grüne) plädierten für Brüssel, einzig Harald Vilimsky (FPÖ) für Straßburg.

Eine Studie des EU-Parlaments wies schon 2013 Einsparungen in Höhe von 103 Millionen Euro jährlich im Falle einer Verlegung nach Brüssel aus. 2014 legte der Europäische Rechnungshof nach. Er bezifferte die Einsparungsmöglichkeiten sogar mit 114 Millionen Euro.

Alle für weniger Kommissare

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Zusammenhang mit der Verkleinerung der Europäischen Kommission. Die Kommission nimmt Aufgaben wahr, die innerhalb eines Nationalstaates die Regierung wahrnimmt, aber sie hat auch als einzige Institution das Recht, Gesetzesvorlagen einzubringen. Derzeit besteht die Kommission aus 28 Mitgliedern, den "EU-Kommissaren" - jedes EU-Mitgliedsland darf eines stellen.

Der Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009 sah eigentlich vor,dass ab 2014 nur noch zwei Drittel der Mitgliedsstaaten einen Kommissar stellen. Diese Bestimmung wurde nie umgesetzt - sie scheiterte am Widerstand Irlands und anderer kleiner Länder. Rechtlich wäre sie jederzeit möglich, es müssten aber alle 28 Staaten dem zustimmen.

In Österreich sind ausnahmslos alle Spitzenkandidaten für eine Verkleinerung, die meisten wären sogar für eine Verkleinerung auf die Hälfte, mit einem Rotationsprinzip, das auch kleine Länder wie Österreich hie und da zum Zug kommen ließe.

Wende in Sachen EU-Armee

Anders ist es mit der Forderung nach einer EU-Armee, die vor allem von Frankreich und Deutschland vorangetragen wird. Während ÖVP und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Anfang 2017, also vor der letzten Nationalratswahl noch für eine gemeinsame EU-Armee "unter Beibehaltung der Neutralität" warben, setzte sich die FPÖ mit Verteidigungsminister Mario Kunasek nach der Wahl von dieser Forderung ab und auch Kurz sagt heute: "Eine EU-Armee, bei der die EU-Mitgliedsländer das Kommando abgeben, wird es nicht geben."

Das ist Feigheit vor dem Feind, wie den beiden Regierungspartnern bei der Diskussion der Bundesländerzeitungen Neos-Kandidatin Claudia Gamon vorhielt. Nicht zuletzt deshalb, weil das Ringen von  Kunasek (FPÖ) um Sonderinvestitionen nur das letzte Rückzugsgefecht eines materiell abgetakelten Bundesheeres ist, das längst nicht mehr alle Verteidigungsaufgaben selbst erfüllen kann. Immerhin: Dem gemeinsamen Einkauf, der Abstimmung bei der Erfüllung der Aufgaben redet Kurz das Wort. Wohl auch deshalb, weil es die einzige Möglichkeit ist, noch länger den Schein zu wahren.

Sanktionen bei Verstößen

Schließlich ist es auch noch mehr Strenge, die sich Kurz innerhalb des EU-Regimes wünscht, härtere Sanktionen bei Verstößen gegen die EU-Spielregeln. Einmal mehr nannte er die Migrations- auch die Finanzpolitik als Fokus.  Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen der Indexierung der Familienbeihilfe erwähnte er geflissentlich nicht.

Auch die Vorschläge des französischen Präsident Emmanuel Macron sprach er nicht an. Macron forderte in einem Brief an die EU-Bürger im März dieses Jahres eine gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde, um europäische Solidarität in Asylfragen sicherzustellen,  die Gründung einer "europäischen Agentur für den Schutz der Demokratie", die Wahlen vor Manipulationen schützen soll, und eine Reform der Wettbewerbspolitik, mit Strafen für Unternehmen, die Umweltstandards und Datenschutzrichtlinien untergraben und Steuern hinterziehen.

Bis Ende 2019 will Macron mit den Vertretern der EU-Institutionen und der Staaten eine "Europakonferenz" ins Leben rufen, auch Bürger und Nicht-Regierungsorganisationen in die Reformüberlegungen miteinbeziehen.

Dazu blieben die Positionen des österreichischen Kanzlers im Dunklen.