Jeden Sitzungstag und bei jedem Wetter ertönt die sonore Stimme eines Mannes bis in die Gänge des britischen Parlaments: "Stop Brexit!", ruft Steve Bray von seinem Posten, den er direkt vor dem Parlamentsgebäude in London bezogen hat. Seit September 2017 hat er keine Parlamentssitzung verpasst - mittlerweile steht der 49-Jährige in dem Ruf, der hartnäckigste Demonstrant Großbritanniens zu sein.

Ganz im Stil eines überzeugten Europäers kommt der Waliser daher: Er trägt einen blauen Zylinder mit goldenem Band, einen Umhang, auf dem die britische und die EU-Flagge verschmelzen, und hat stets rote Fahnen und Plakate bei sich, mit denen er gegen den Brexit protestiert.

"Ich spreche mit Abgeordneten und frage sie, was mir der Brexit bringt. Darauf haben sie keine guten, positiven Antworten", sagt er. Die für den 11. Dezember angesetzte Abstimmung über das Austrittsabkommen mit der EU hat Premierministerin Theresa May wegen ihrer drohenden Niederlage in letzter Minute verschoben. Und so setzt Bray seinen Protest unverdrossen fort: "Wir haben schon den besten Deal", steht auf einem seiner roten Schilder.

Am meisten Aufmerksamkeit bringen Bray seine ungefragten Live-Interviews im britischen Fernsehen - bei denen er sich einfach ins Bild drängelt. Das hat ihm eine unerhörte Medienpräsenz eingebracht, die es ihm erlaubt, seine Botschaft immer wieder unters Volk zu bringen.

Ein Passant ruft: "Du bist ein Held!" und schüttelt Bray die Hand. Doch der Mann mit dem blauen Zylinder wird nicht müde zu betonen: "Es geht hier nicht um mich."

Auch andere Brexit-Gegner verschaffen sich vor dem Parlament Gehör, etwa eine Gruppe Opernsänger mit Beethovens "Ode an die Freude", der Europa-Hymne - doch nur wenige sind so hartnäckig wie Bray.

Der Mann, der nun seit mehr als einem Jahr beharrlich vor dem britischen Parlament demonstriert, kommt eigentlich aus dem südwalisischen Port Talbot. In London haben ihm Unterstützer eine Wohnung zur Verfügung gestellt.

Bray nennt als seinen Beruf Münzhändler und bezeichnet sich als "selbstständig". Für seinen Dauer-Protest erhält er aber natürlich Unterstützung von einer Anti-Brexit-Initiative, was Zündstoff für seine Kritiker ist.

"Er macht das, wofür er bezahlt wird", sagt der Pro-Brexit-Demonstrant Robert Wright, der nach eigenen Angaben einmal in der Woche vor dem Parlament aufkreuzt. "Leave means Leave" (Raus heißt Raus) steht auf seinem Plakat.

Über das von seiner Regierung mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen denkt Bray ähnlich wie die Brexit-Befürworter: "Wir stimmen überein, dass das ein lausiger Deal ist", sagt Bray zu einer Frau mit einem "Leave"-Schild, die sich ganz im Stile Brays bei einem Interview mit ihm in den Vordergrund drängelt.

So einmütig ist die Stimmung freilich nicht immer. Manche beschimpfen Bray als "Versager", andere drohen ihm sogar mit Gewalt.

Der 49-Jährige ist fest davon überzeugt, dass ein zweites Referendum zu einem anderen Ergebnis führen würde. "Man muss kein Genie sein, um zu sehen, dass wir mit dem Austritt aus der EU nur schlechter dran sind", sagt er.

Auf die Frage, ob er auch noch vor dem Parlament stehen wird, wenn Großbritannien am 29. März die EU verlässt, zeigt er sich unbeirrt: "Ich bin mir sicher, dass wir nicht austreten. Am Ende wird sich der gesunde Menschenverstand durchsetzen."