Die österreichische Bundesregierung stimmte heute, Mittwoch, dem Flüchtlingspakt zu, dem Migrationspakt vor einigen Wochen nicht. Beim Versuch, das der Welt zu erklären, verhedderten sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) heute wieder einmal rettungslos zwischen Verdachtslagen und konkreten Paragraphen.

Die Erklärung der Regierung: Beim Migrationspakt wäre zu befürchten gewesen, dass daraus ein Menschenrecht auf Migration abgeleitet werden kann, eine Vermischung von Migration und Asylrecht. Der Flüchtlingspakt hingegen sei dem Grunde nach eine Art Bericht, eine Resolution ohne rechtsverbindlichen Charakter, und alle Rechte von verfolgten Flüchtlingen seien ohnehin in Genfer Konvention, Menschenrechtskonvention, etc. geregelt. Im Vorfeld hätte sich die FPÖ übrigens auch daran fast noch verschluckt, am Appell nämlich, Solidarität mit den Aufnahmeländern zu zeigen und an einer Umverteilung der Flüchtlinge mitzuwirken. Österreich hat auch seinen Teilnahme am UNHCR-Umsiedlungsprogramm derzeit ausgesetzt.

Zweiteres ist jedenfalls richtig. Der Flüchtlingspakt beinhaltet keine neuen Verpflichtungen. Ersteres trotz noch so vieler Wiederholungen immer noch falsch. Genau um eben keine Vermischung zu riskieren, wurden von der UNO als Folge der Vollversammlung am 19. September 2016 zwei Pakte auf den Weg gebracht, der Migrationspakt und der Flüchtlingspakt.

Gemeinsame Ziele

Strache hat es im Pressefoyer nach dem Ministerrat richtig erklärt und ein weiteres Mal die falschen Behauptungen daraus abgeleitet. Der Migrationspakt ist ein Pakt, mit dem sich alle Länder, die ihn unterzeichnen, verpflichten, an der Verwirklichung bestimmter Ziele zu arbeiten: besserer Schutz von Zuwanderern, die Rechte von und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für Migranten und ihren Familien, der Kampf gegen Arbeitsausbeutung, Menschenhandel und Diskriminierung sowie die Ausweitung der Möglichkeiten zur regulären Migration. Der Pakt spricht sich außerdem für eine bessere Datenlage zu internationalen Migrationsprozessen, spricht sich für die Bekämpfung ökonomischer, umweltbezogener und politischer Fluchtursachen aus und betont das Ziel eines „ganzheitlichen, sicheren und koordinierten Grenzschutzes“. 

All das entspricht dem, was Österreich, Deutschland, Europa braucht: Eine Verbesserung der Situation für die Migranten in anderen Ländern, damit nicht alle zu uns kommen wollen.

Worum es nicht geht

Es geht nicht um das Asylrecht, also um die Kriterien dafür, unter welchen Bedingungen Menschen, die verfolgt werden und bei uns landen, ein Bleiberecht bekommen müssen, die sind nämlich im Asylrecht und in der Genfer Konvention geregelt.

Es geht nicht um die Kriterien für unerwünschte Zuwanderung - die legen nämlich die Nationalstaaten fest.

Es geht nicht um eine Einladung für ungebremste Masseneinwanderung nach Europa, sondern darum, dieser mit vereinten Kräften entgegenzuwirken und der ungesteuerten, durch Kriminelle befeuerten Fluchtbewegung die Rahmenbedingungen für  legale Migration entgegenzusetzen.

Länder wie Mexiko, Marokko, Bangladesch sind mit an Bord. Strache erwähnte drei afrikanische Länder, die es nicht sind, aber die meisten ziehen mit, denn zwei Drittel aller afrikanischen Migranten leben in anderen afrikanischen Ländern.

Selbstverpflichtung, nicht Verpflichtung

Der Migrationspakt ist eine internationale Kraftanstrengung, die nichts vorschreibt, auch nichts vorschreiben kann, sondern der Staatengemeinschaft hilft, sich an verbindenden Zielen zu orientieren, die all dem entgegenwirken, vor dem sich ÖVP und FPÖ fürchten und wovor sie die Bevölkerung schützen wollen.

Wenn daraus "verbindliche" Ziele werden, dann deshalb, weil die Staaten in der Folge aus dem unverbindlichen Pakt eine Selbstverpflichtung ableiten und entsprechende Regelungen umsetzen. Daraus entsteht übrigens nicht nur "soft law", wie es Strache formuliert, sondern echtes Recht. Das ist auch im Sinne der Erfinder.

Ja zum Flüchtlingspakt

Schön, dass es die Bundesregierung geschafft, hat dem Flüchtlingspakt zuzustimmen, der andere Länder auf einen Weg bringen soll, auf dem wir längst sind, nämlich zur Anerkennung der bestehenden völkerrechtlichen Standards.

Dass Österreich in der Zeit, in der es den Ratsvorsitz inne hat, aus der internationalen Staatengemeinschaft ausgeschert ist und sich in das Fahrwasser von Populisten begeben hat, denen es nicht um die Sache sondern nur um Emotionen auf Kosten Dritter geht, ist fahrlässig und unverantwortlich.

Unser deutscher Nachbar hat uns gezeigt, wie politische Verantwortung aussieht: Auch dort wurde spät diskutiert, lange nach Verabschiedung der Texte in New York, dann aber sachlich, fachlich begründet, politisch durchdacht. Nicht um Stimmung zu machen, sondern um der Bevölkerung eine politische Entscheidung zu erklären, die dazu geeignet ist, viele Fragen aufzuwerfen.

Alleingang statt Brückenbau

Deutschland stimmt dem Pakt zu, wie rund 170 andere Staaten auch. Den Sorgen der Bevölkerung (die in Deutschland nur von der AfD unredlich befeuert wurden) begegnete die Regierung, indem sie eine Erklärung beifügte, in der noch einmal klargestellt wird, dass aus dem Migrationspakt keine verbindlichen Rechte abzuleiten sind.

Sie wäre nicht nötig gewesen, aber es war eine Art, auf die Sorgen zu reagieren.

Österreich geht einen anderen Weg. Kanzler Kurz wollte als EU-Ratsvorsitzender ein Brückenbauer sein. Er hat sich - wie  wenige andere Staaten auch - für den Alleingang entschieden, in einer Frage, die nicht alleine zu regeln ist.