Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die neue slowenische EU-Ratspräsidentschaft aufgerufen, auf ihre europapolitische Verantwortung zu achten. Auf die Frage nach dem umstrittenen Kurs von Ministerpräsident Janez Jansa sagte Steinmeier am Sonntag im ZDF-Sommerinterview, dass Kritik an Europa seiner Meinung nach vor allem innenpolitische Gründe in Slowenien habe.

Man habe bereits in Ungarn gesehen, dass man Sündenböcke für die schwere Zeit in der Corona-Pandemie suche und die EU einer dieser Sündenböcke sein solle. "Ich hoffe nicht, dass das in Slowenien einen ähnlichen Weg geht", fügte Steinmeier nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters hinzu. Die Bevölkerung sei pro-europäisch. "Ich hoffe, dass ... der Ministerpräsident sich in dieser Stunde seiner Verantwortung für dieses Europa sehr bewusst ist."

Übergriffe auf Medien und Justiz

Slowenien hat am Donnerstag den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen, begleitet von Kritik an dem autoritären Politikstil Jansas. Ihm werden Übergriffe auf unabhängige Medien und Kontrollinstitutionen sowie die Justiz vorgeworfen. Mit Sorge wird auch gesehen, dass der konservative Politiker seinem ungarischen Amtskollegen Viktor Orban im Konflikt um Rechtsstaat und Menschenrechte die Mauer zu machen scheint.

Eklat

Schon am Donnerstag kam es im Rahmen des traditionellen Auftaktbesuchs der EU-Kommission im Vorsitzland zu einem Eklat. Nachdem sich Jansa über sozialdemokratische Europaabgeordnete ausgelassen hatte, blieb EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans dem Familienfoto von EU-Kommission und slowenischer Regierung aus Protest fern.

Schwein-Sager

Für Empörung sorgte danach auch der slowenische Innenminister Ales Hojs, der einen ungenannten EU-Spitzenbürokraten als "Schwein" bezeichnet hatte. Er dementierte, dass er damit Timmermans gemeint hatte und ließ erkennen, dass er den slowenischen EU-Kommissar Janez Lenarcic meinte. Hojs handelte sich dafür einen Ordnungsruf von Staatspräsident Borut Pahor ein, der den Minister aufforderte, nach Möglichkeiten einer Entschuldigung zu suchen.

Große Versuchung?

Pahor äußerte auch die Hoffnung, dass Jansa bei der Präsentation des slowenischen Vorsitzprogramms am kommenden Dienstag im Europaparlament "der Versuchung widerstehen wird, alles zu sagen, was er sich denkt". "Ich möchte ihm keinen Rat geben, aber ich wünsche mir, dass am Dienstag alles gut laufen wird", so Pahor. Schließlich sei es für den Ratsvorsitz sehr wichtig, das Europaparlament auf seiner Seite zu wissen.

Beschimpfungen

Jansa hatte bereits im März für einen Eklat im Europaparlament gesorgt, als er seine Teilnahme an einer Aussprache zur Medienfreiheit abbrach, weil die liberale niederländische Ausschussvorsitzende Sophie in t'Veld das Abspielen eines Propagandavideos der slowenischen Regierung zum Thema untersagte. Zuvor hatte Jansa auch eine renommierte Journalistin des EU-Magazins "Politico" beschimpft und dem liberalen Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament, Guy Verhofstadt, nach Kritik an Slowenien die belgische Kolonialvergangenheit unter die Nase gerieben.

Vergleich der EU mit Ex-Jugoslawien

Jansa hatte auch die Feier zum 30. Jahrestag der slowenischen Unabhängigkeit Ende Juni dafür genutzt, um im Beisein von EU-Ratspräsident Charles Michel die Europäische Union wenig verhüllt mit dem kommunistischen Jugoslawien zu vergleichen, von dem sich Slowenien im Jahr 1991 abgespalten hatte. Slowenien habe Erfahrungen mit föderalen Gebilden, sagte Jansa. "Wir wissen, was sich in so einer Gemeinschaft bewährt, und was nicht. Am schnellsten zum Zerfall führt die Anwendung doppelter Maßstäbe", sagte er. Deswegen werde Slowenien "immer dafür kämpfen, dass die gleichen Maßstäbe gelten", so Jansa bei der Feier, an der auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban teilnahmen. Dieser grüßte demonstrativ die "tapferen derzeitigen Anführer" Sloweniens.