Die Sitzordnung bei dem Treffen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den EU-Spitzen in Ankara hat in sozialen Medien für Irritationen und Kritik gesorgt. Während für EU-Ratspräsident Charles Michel ein großer Stuhl neben dem türkischen Staatschef reserviert war, bekam EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei dem Gespräch am Dienstag einen Platz auf einem Sofa in einiger Entfernung von Erdogan und Michel zugewiesen.

Dort saß sie dem türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gegenüber, der ebenfalls an dem Gespräch teilnahm. Unter anderem auf Twitter wurde danach daran erinnert, dass der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei Treffen mit Erdogan auf Augenhöhe sitzen durfte. In der EU-Kommission wurde unterdessen darauf verwiesen, dass von der Leyen das Treffen mit Erdogan genutzt habe, um mit ihm eine lange und sehr offene Diskussion über Frauenrechte und den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und Kinder vor Gewalt zu führen.

Keine offizielle Kritik

Offene Kritik an der Sitzordnung gab es zunächst allerdings nicht. Als ein Grund gilt, dass Michel als Präsident des Europäischen Rates in der protokollarischen Rangordnung über der EU-Kommissionspräsidentin steht.

Was war der Hintergrund für das Treffen?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel trafen sich am Dienstag in Ankara mit Erdogan. Es gebe weiter Uneinigkeiten, aber auch neue Chancen, sagte Michel nach dem Gespräch. Von der Leyen sagte, dass die EU auch in Zukunft nicht zögern werde, negative Entwicklungen anzuprangern.

Die EU will den Pakt mit der Türkei über die Unterbringung von knapp vier Millionen Flüchtlingen aus Syrien aufrechterhalten, pocht aber bei Ankara auf die Einhaltung von Grundrechten. Von der Leyen sagte, Europa sei weiter bereit, Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei zu tragen. Sie werde dazu in Kürze einen Vorschlag machen. Die Türkei hat der EU wiederholt vorgeworfen, Zusagen nicht einzuhalten. Erdogan hat im Gegenzug für Finanzhilfen zugesagt, für eine Eindämmung des Flüchtlingsstroms nach Europa zu sorgen.

Sie und Michel hätten deutlich gemacht, dass die Achtung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit für die EU von entscheidender Bedeutung sei und die Türkei die internationalen Menschenrechtsregeln einhalten müsse, sagte die EU-Kommissionspräsidentin. Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen sei zutiefst besorgniserregend und das "falsche Signal". Man dränge die Türkei darauf, die Entscheidung rückgängig zu machen.

Von der Leyen und Michel betonten allerdings, dass die "positive Agenda" aus ihrer Sicht einen harten Kurs in anderen Fragen nicht ausschließe. Menschenrechtsfragen seien "nicht verhandelbar", sagte sie mit Blick auf den in der Türkei inhaftieren Kulturmäzen Osman Kavala und den ehemaligen pro-kurdischen Oppositionsführer Selahattin Demirtas.

Anreize für die Türkei

Hintergrund des Gesprächs mit Erdogan sind Beschlüsse des EU-Gipfels vor eineinhalb Wochen. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich darauf verständigt, die Beziehungen zur Türkei schrittweise wieder auszubauen. So beginnen unter anderem die Vorbereitungen für Verhandlungen einer Ausweitung der Zollunion.

Mit den Beschlüssen soll der Türkei ein Anreiz gegeben werden, konstruktiv nach einer Lösung von Konflikten mit Griechenland und Zypern zu suchen, wie etwa im Streit um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Die EU hatte der Türkei wegen des Konflikts im vergangenen Dezember scharfe Sanktionen angedroht. Daraufhin beendete das Land die umstrittenen Erdgaserkundungen und signalisierte Gesprächsbereitschaft.