1 Was steht beim EU-Gipfel auf dem Spiel?

Die 27 Regierungschefs sollten sich über den budgetären Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 verständigen. Eine Einigung beim heute in Brüssel startenden EU-Gipfel ist unwahrscheinlich, man hat noch Zeit bis zum Sommer.

2 Warum dann diese Aufgeregtheit – kombiniert mit Veto- und anderen Drohungen?

Es geht um wahnsinnig viel Geld, konkret um die Verteilung von mehr als 1000 Milliarden Euro für die sieben Jahre. Wie auch in Österreich ist der Großteil der Gelder gebunden: auf EU-Ebene ist Agrar der größte Posten, im österreichischen Bundesbudget sind es die Pensionen (25 Prozent).

3 Wie finanziert sich die EU überhaupt?

Das ist ein extrem kompliziertes, seit der EU-Gründung organisch gewachsenen Konstrukt. Zu mehr als zwei Drittel wird das EU-Budget über Beiträge der Mitgliedsstaaten bestritten (auf Basis des Bruttonationaleinkommens), der zweitgrößte Posten sind Zolleinnahmen (13 Prozent), elf Prozent kommen aus einem Teil der Mehrwertsteuereinnahmen, die die Mitgliedsstaaten einheben. Auch fließen Kartellstrafen oder Budgetüberschüsse ins EU-Budget.

4 Was hat das mit dem österreichischen Nettobeitrag zu tun?

Der Nettobeitrag ergibt sich aus der Differenz zwischen der Summe, die Österreich nach Brüssel überweist, und den Rückflüssen aus dem EU-Budget. Österreich, konkret der Finanzminister, überwies 2018 3,29 Milliarden Euro nach Brüssel, 1,95 Milliarden flossen zurück – ergibt einen Nettobeitrag von 1,34 Milliarden.

5 Warum ist Österreich überhaupt Nettozahler?

Weil Österreich zu den reichsten EU-Ländern zählt. Die EU kennt – so wie Österreich auch – eine Art von Finanzausgleich, einen Solidaritätsmechanismus zwischen ärmeren und reicheren Staaten.
In Österreich sind bekanntlich Wien, Tirol, Salzburg Nettozahler, Steiermark, Kärnten, Burgenland sind Nettoempfänger.

6 Wer sind die Nettozahler in Europa?

2018 leistete Deutschland den Löwenanteil (13,4 Milliarden), gefolgt von Großbritannien (6,9), Frankreich (6,1), Italien (5,1). Gemessen am Bruttonationaleinkommen lag 2018 Österreich mit 0,35 Prozent an dritter Stelle – hinter Deutschland und Dänemark. Das erklärt, warum sich Bundeskanzler Sebastian Kurz gemeinsam mit den Premierministern von Dänemark, Schweden und den Niederlanden zur Gruppe der „genügsamen vier“ („frugal four“) zusammengeschlossen hat. In einem gemeinsamen Brief an Ratspräsident Charles Michel beklagt das Quartett „exzessive Ungleichgewichte beim Budget“ und pocht auf einen Beitragsrabatt – einen solchen Rabatt hatte Österreich bereits 1999 erhalten.

7 Und wer sind die Nettoempfänger?

Die größten finanziellen Profiteure des EU-Beitritts sitzen in Osteuropa und auch im Süden. Polen erhielt 2019 12,3 Milliarden, gefolgt von Ungarn (5,2) und Griechenland (3,3). Gemessen am BNE sind Ungarn, Litauen, Lettland die Hauptnutznießer. Indirekt profitierte davon auch Österreich (siehe Punkt zehn).

8 Wohin flossen die EU-Gelder in Österreich?

1,23 Millionen flossen in die Landwirtschaft, 444 Millionen in Bereiche wie Forschung, Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, 180 Millionen in
die klassische Regionalpolitik (Ziel-Gebiete). Warum die Bauern überproportional viel bekommen, hängt mit der – historisch begründeten – Vergemeinschaftung der Agrarpolitik zusammen.

9 Gibt es keine konkreten Beispiele?

2017 haben 18.115 Studenten aus Österreich mit einem Erasmus-Stipendium ein Semester im Ausland verbracht. 2018 steuerte die EU mehr als acht Millionen Euro aus ihrem Solidaritätsfonds für die durch Hochwasser und Muren verwüsteten Regionen in Österreich bei. Michael Hanekes Erfolgsfilm „Das weiße Band“ wurde mit EU-Mitteln finanziert. Spektakulärer sind wohl die 1,3 Milliarden Euro, die seit 1995 ins strukturschwache Burgenland geflossen sind. Die Renaissance des burgenländischen Weins – nach dem Glykol-Skandal von 1985 – ist untrennbar mit den EU-Förderungen in den Weinbau (Ausbau der Weinkeller) verbunden.

10 Warum sind die Nettozahlen, wie oft behauptet, irreführend?

Wenn Haselsteiners Strabag-Konzern beim Autobahnbau in Ungarn, Polen den Zuschlag bekommt, ist das nicht im heimischen Nettobeitrag inkludiert. Wenn heimische Firmen beim EU-Satellitenprojekt Galileo zum Zug kommen, wird das auch nicht ausgewiesen.

11 Was kostet die EU-Mitgliedschaft jeden Österreicher pro Tag?

Wenn man den Nettobeitrag umrechnet, sind es 41 Cent pro Österreicher.

12 Und was kostet uns die „Österreich-Mitgliedschaft“ – täglich?

Jeder Österreich zahlt pro Tag umgerechnet 25,20 Euro ins Budget der Bundesregierung ein.