Vor Beginn der Großveranstaltung von elf rechtspopulistischen europäischen Parteien, darunter der FPÖ, hat sich der italienische Innenminister und Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, erneut für eine Änderung der EU-Haushaltsregeln ausgesprochen. Diese seien ein "Käfig", der in Italien für hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich sei.

"Es ist meine Pflicht, einige EU-Regeln zu überdenken, die geändert werden müssen. Ich will den Italienern Beschäftigung garantieren", sagte Salvini im Gespräch mit Journalisten in Mailand. Der Lega-Chef sprach sich für eine Steuersenkung in Italien aus, damit könne die italienische Wirtschaft wieder wachsen. "Wenn Italiens Wirtschaftsleistung um lediglich 0,2 Prozent pro Jahr zunimmt, wo kommen wir hin?", fragte Salvini. Italiens Beteiligung an der EU-Währungsunion stelle er nicht infrage, versicherte Salvini.

Der italienische Innenminister hatte am Mittwoch betont, dass die Regierung in Rom bereit sei, die Defizit-Regeln der EU zu ignorieren und die Verschuldung auf bis zu 140 von derzeit etwa 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in die Höhe zu treiben, um die Konjunktur anzukurbeln.

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) hatte am Donnerstag im Streit um das italienische Budgetdefizit betont, er rechne mit klaren Aussagen der Euro- und der EU-Finanzminister. Man könne die italienische Position nicht als Wahlkampf abtun. Es müsse klargestellt werden, dass Regeln einzuhalten seien, und es auch automatisierte Sanktionen gebe.

Causa Strache

Nach dem Eklat um das am Freitag publik gewordene Video von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat der Spitzenkandidat der Partei für die Europawahl, Harald Vilimsky, seine Teilnahme an einer Großveranstaltung rechtspopulistischer Parteien mit Italiens Innenminister Matteo Salvini am Samstagnachmittag in Mailand abgesagt. Die FPÖ wird nun vom Europaabgeordneten Georg Mayer vertreten.

Vilimsky befand sich bei Bekanntwerden des Videos gemeinsam mit Verkehrsminister und Vize-Parteiobmann Norbert Hofer im Wahlkampfeinsatz in Innsbruck. Von dort aus hätte er mit dem Auto nach Mailand weiterreisen sollen, entschloss sich jedoch dazu abzusagen, bestätigte ein Sprecher Vilimskys auf APA-Anfrage.

Die Causa Strache beschäftigt auch die rechtspopulistischen Parteien Europas, die sich an der Wahlkampfveranstaltung in Mailand beteiligen. Die Chefin der Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, wollte die Enthüllungen nicht kommentieren. Dies sei eine Sache der österreichischen Innenpolitik. Sie finde es erstaunlich, dass das zwei Jahre alte Video einige Tage vor der Europawahl bekanntgeworden sei.

Le Pen will mit europäischen Verbündeten eine "Super-Fraktion" im nächsten Europaparlament bilden. Die Art und Weise des europäischen Aufbaus könne sich "zum ersten Mal seit Jahrzehnten" verändern, sagte die Chefin der Partei Rassemblement National (RN/früher Front National) am Samstag in Mailand. "Diese Aussicht ist begeisternd." Am Nachmittag war eine Kundgebung mit dem italienischen Lega-Chef Matteo Salvini auf dem Domplatz geplant.

Le Pen griff eine Woche vor der Europawahl ihren französischen Erzrivalen Emmanuel Macron an. Der Staatschef müsse gehen, falls er bei der Wahl nicht vorne liege, forderte Le Pen. Im mehreren Umfragen liegt Le Pens Partei leicht vor der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) und deren Verbündeten. Le Pen hatte vor zwei Jahren bei der Präsidentenwahl gegen den Europafreund Macron verloren und hofft laut Beobachtern nun auf eine Revanche.

Die mit der rechten Lega verbündete Fünf Sterne-Bewegung beobachtete mit Sorge das geplante Treffen von elf europäischen rechtspopulistischen Parteien. "Man muss nicht nur aus ideologischen Gründen besorgt sein, sondern auch, weil diese Parteien von Italien eine strenge Austeritätspolitik verlangen", so Fünf Sterne-Chef Luigi Di Maio. "Europas ultrarechte Parteien mögen Italien nicht. Und wenn sie Italien nicht mögen, brauchen wir sie nicht", sagte der Vizepremier und Arbeitsminister nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA.

Salvini will nach der Europawahl nächste Woche die Europäische Allianz der Völker und Nationen schaffen. Er hat das Ziel ausgegeben, im Europaparlament stärkste Fraktion zu werden. In Umfragen liegt die neue Gruppierung derzeit bei etwa zehn Prozent der Mandate; doch könnten sich weitere Parteien anschließen. Die Allianz will die EU in der heutigen Form nicht weiterentwickeln, sondern auf wenige gemeinsame Projekte zurückstutzen. "Wir wollen keine europäische Diplomatie", sagte Le Pen.

Salvini will am Samstag Spitzenvertreter von Europas rechtspopulistischen Parteien zu einem Auftritt zum Ende der Wahlkampagne für die EU-Parlamentswahlen vereinen. 100.000 Teilnehmer aus ganz Europa erhofft sich der Lega-Chef bei der Veranstaltung auf dem Mailänder Domplatz.