"Das ist moderne, hybride Kriegsführung, die die Grundfesten unserer Demokratie unterwandern kann. Und das passiert jetzt, nicht irgendwann“: Claudia Gamon, Nationalratsabgeordnete und Spitzenkandidatin der Neos bei der EU-Wahl, ist besorgt: Sie hat eine Serie von Anfragen an türkis-blaue Minister gestellt, was gegen die Gefahr von Desinformation vor der Wahl unternommen wird – und kommt nach ersten Antworten zu dem Schluss: zu wenig. „Die EU-Kommission hat einen Zehn-Punkte-Plan zu dem Thema vorgelegt – davon sieht man in Österreich nichts“, sagt Gamon.

Tatsächlich zeigt der eben in den USA veröffentlichte Mueller-Bericht, wie aktuell das Thema sein kann: Seite für Seite dokumentiert der US-Sonderermittler, wie die russische „Trollfabrik“ unter dem Namen „Internet Research Agency“ gefälschte Social-Media-Profile angelegt hat, um mit frei erfundenen Geschichten Stimmung für Donald Trump und gegen Hillary Clinton zu machen.

„Gewährleistung freier und fairer Wahlen“

Der Gedanke, dass auch die EU-Wahlen vorab von Propagandisten gekapert werden könnten, ist aber erst vor Kurzem aufgetaucht: Wie etwa Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in seiner Antwort an Gamon ausführt, stand das Thema „Gewährleistung freier und fairer Wahlen“ im Rat der EU-Innenminister erstmals am 7. März auf der Tagesordnung.

Immerhin haben aber die Kommission und die österreichische Ratspräsidentschaft die Frage, wie man mit Desinformation umgehen will, Ende des Vorjahres auf die Agenda gesetzt. Die Kommission und der Auswärtige Dienst der EU haben daraufhin den erwähnten Aktionsplan vorgelegt – der im Wesentlichen darauf abzielt, den Aufbau nicht-staatlicher Faktenprüfer zu fördern und Medien zu stärken: „Die Arbeit unabhängiger Medien ist für demokratische Gesellschaften unerlässlich, nicht zuletzt durch das Aufdecken gezielter Falschinformation und deren Richtigstellung“, schreibt Medienminister Gernot Blümel (ÖVP). Er verweist auch auf die Bemühungen um mehr Transparenz bei Internet-Riesen sowie den fortgeschrittenen Austausch bei Wahlen.

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Die konkreteste Maßnahme, die bisher umgesetzt ist: Im Büro von Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal hat man eine Kontaktstelle für ein „Frühwarnsystem gegen Desinformation“ eingerichtet, sprich die 28 Staaten informieren einander, wenn sie gezielte Kampagnen vor ihren Wahlen orten.

Bisher sind dort dem Vernehmen nach allerdings keine konzertierten Kampagnen gemeldet worden – nur Einzelfälle vor der estnischen Parlaments- sowie der slowakischen Präsidentschaftswahl.
Allgemein, heißt es aus Regierungskreisen, seien aber auch die Cybersicherheitsbehörden zuständig, eventuelle Manipulation aufzuspüren – aber „derartige Maßnahmen sind nicht geeignet, öffentlich erörtert zu werden“, wie das Verteidigungsministerium schreibt.