"Die Präsidentin für eine gerechte Slowakei", steht als Slogan auf den Wahlplakaten von Zuzana Caputova. Sie wolle als Präsidentin dafür kämpfen, "dass niemand von uns Rechtlosigkeit und Arroganz der Macht erdulden muss", verspricht die 45-jährige Bürgeranwältin in ihrem Wahlprogramm. Vor zwei Monaten war sie der breiten Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt gewesen, jetzt ist sie schon die überraschende Favoritin der heutigen Präsidentenwahl .

Mit der liberalen Vizechefin der bisher noch nicht einmal im
Parlament vertretenen Kleinpartei "Progresivne Slovensko" (Progressive Slowakei - PS) führt erstmals eine Frau die Umfragen für eine landesweite Wahl in der traditionell von Männern dominierten Slowakei an. In einer von ihrem eigenen Wahlkampfteam in Auftrag gegebenen Umfrage kam Caputova sogar auf knapp 53 Prozent.

Auch andere Umfragen sahen die vor über zehn Jahren als Kämpferin gegen eine Mülldeponie erstmals lokalpolitisch aufgetretene Aktivistin mit rund 40 Prozent Wählerzustimmung klar vor dem parteilosen, aber von der größten Regierungspartei Smer - Socialna demokracia nominierten EU-Kommissar Maros Sefcovic, der sich als erfahrener und international anerkannter Diplomat präsentiert. Dabei hatten noch vor wenigen Wochen führende Politiker der beiden größten Oppositionsparteien die 45-Jährige aufgefordert, ihre Kandidatur zurück zu ziehen, um die Chancen eines aussichtsreicher scheinenden Konkurrenten auf die Stichwahl gegen Sefcovic nicht zu schmälern.

Mit ihrer toleranten Haltung zu Abtreibung und sexuellen Minderheiten würde sie katholische Wähler abschrecken und das Oppositionslager spalten, warnten die Parteichefs der liberalen SaS und der konservativen Bewegung "Gewöhnliche Leute". Doch gerade die klaren Antworten der geschiedenen Mutter zweier Töchter in Interviews und TV-Diskussionen kamen bei den Wählern offenbar viel besser an als die übervorsichtigen Unverbindlichkeiten ihrer wichtigsten Rivalen.

Ihr raketenhafter Anstieg in den Umfragen innerhalb von wenigen Wochen löste in den offensiv gegen die Regierung ankämpfenden liberalen Medien einen wahren Caputova-Hype aus. Auch die Anhänger der nach einem Journalistenmord entstandenen Demonstrationsbewegung "Für eine anständige Slowakei" sehen in ihr mittlerweile die wichtigste Hoffnungsträgerin für eine grundlegende Veränderung.

Auslöser der Massendemonstrationen, an denen seit einem Jahr immer wieder Zehntausende teilnahmen, war die posthume Veröffentlichung der letzten Reportage des ermordeten Jan Kuciak gewesen. Darin hatte dieser Verbindungen italienischer Mafia-Clans zu Regierungsmitarbeitern beschrieben. Dass auch der mit der Regierung im Clinch stehende derzeitige Staatspräsident Andrej Kiska die Bürger aufrief, Caputova zu seiner Nachfolgerin zu wählen, muss ihr nicht unbedingt nützen.

Denn der Millionär Kiska hat viel von seiner einstigen Popularität verloren, seit Enthüllungen über zweifelhafte Grundstücksgeschäfte vor seiner Amtszeit und der Verdacht auf Steuerhinterziehung bei der Finanzierung seines siegreichen Präsidentenwahlkampfs 2014 für Schlagzeilen sorgen. Prompt behauptete ihr Gegenkandidat Maros Sefcovic vergangene Woche, Caputova habe mit Kiska eine Absprache getroffen.

Begnadigung?

Demnach wolle sie als Präsidentin ihren Vorgänger begnadigen, falls dieser wegen Steuerhinterziehung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt würde. Caputova dementierte dieses Gerücht nicht nur, sondern legte mittlerweile in einer Diskussionsveranstaltung nach: An Kiskas Stelle würde sie sich nach einer solchen Steueraffäre lieber aus der Politik zurück ziehen. Nutznießer des Konflikts zwischen Regierungs- und Oppositionslager könnten aber Rechtspopulisten und Extremisten sein, von denen es unter den 13 im Rennen verbliebenen Kandidaten mehrere gibt. Besonders große Chancen auf die Stichwahl anstelle von Sefcovic attestieren auch die Umfragen dem 61-jährigen Stefan Harabin.

Der umstrittene Höchstrichter und ehemalige Justizminister spricht als derzeit stärkster der in der Slowakei so genannten "Anti-System-Kandidaten" das große Potenzial der nationalistisch und christlich-konservativ denkenden Kleinstädter und Landbwohner an, die sich von den Politikern in der Hauptstadt vernachlässigt fühlen. Auch Rechtsextremistenführer Marian Kotleba und andere Gegner der liberalen Demokratie fischen in diesem Wählerteich.

Mit ihren Apellen für eine Slowakei der traditionellen christlichen Werte sprechen diese nationalistischen Kandidaten auch erfolgreich das konservative Wählersegment an, das auf Kleriker wie Jan Orosch hört. Der Erzbischof von Trnava warnte am Sonntag in einer Fastenpredigt zwar ohne Namensnennung, aber vollkommen unmissverständlich auf Caputova bezogen: "Diese ultraliberale Kandidatin" zu unterstützen sei "eine schwere Sünde", denn hinter Leuten wie ihr stehe der Teufel, der die Menschen verführen wolle.