Sie haben in den letzten Wochen wiederholt angedeutet, dass Sie auch nach einem Jahr in der Regierung noch nicht in der Politik angekommen sind. Bereuen Sie den Weg in die Politik?

HEINZ FASSMANN: Nein, keineswegs. Es ist ein wirklich spannendes und interessantes Erlebnis. Es ist mit Sicherheit meine letzte Berufsetappe. Ich war immer ein neugieriger Mensch. Ich genieße, die Neugierde, wie Politik funktioniert, befriedigen zu können.

Wie groß ist die Ernüchterung?

Ich muss ausholen. Die englischen Begriffe von „policy“ und „politics“ sind viel präziser, um zu kennzeichnen, was Politik ausmacht. „Policy“ im Sinne von Sachpolitik und „politics“, die tägliche und manchmal kleinliche politische Auseinandersetzung. Ich schätze die „policy“ sehr, mit der „politics“ muss ich mich noch anfreunden.

Werden Sie sich bis zum Ende der Legislaturperiode noch damit anfreunden?

Ich weiß es nicht, bei den „politics“ werde ich wohl Geselle bleiben.

Sind Sie eher Minister aus Pflichterfüllung oder aus Leidenschaft?

Wer mich persönlich kennt, weiß es sehr genau: Ich bin immer beides. Ich habe ein hohes Ausmaß an Pflichtbewusstsein, aber auch an Leidenschaft.

Was sind die Gründe, warum das Wissenschaftliche, also die Welt, aus der Sie beruflich kommen, bei politischen Entscheidungen so stark in den Hintergrund tritt?

Es hat etwas mit der Aufgeregtheit unserer Gesellschaft zu tun, mit dem nicht zu überhörenden Wunsch, schnell Lösungen für ganz bestimmte Probleme präsentieren zu können. Diese Schnelllebigkeit ist für den politischen Tiefgang nicht unbedingt förderlich.

Was kann man dagegen tun?

Manchmal ehrlich zu sein und zu sagen: Das weiß ich nicht, da muss man genauer darüber nachdenken und nicht sofort die drei Patentantworten präsentieren.

Haben Sie im Laufe des letzten Jahres einmal erwogen, vorzeitig aus der Politik auszusteigen und wieder in die Wissenschaft zurückzugehen?

Nein.

Wären Sie für eine zweite Legislaturperiode zu haben?

Eine Legislaturperiode reicht.

Verkehrsminister Hofer hat am Wochenende gemeint, wenn die Deutschen österreichische Autofahrer bei der Pkw-Maut benachteiligen dürfen, könnten wir ja als Retourkutsche höhere Studiengebühren für Deutsche einheben. Was halten Sie davon?

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Studierende fahren nicht durch Österreich durch, sondern lassen sich hier nieder, müssen eine Unterkunft finden, tragen erheblich zu unserer ökonomischen Prosperität bei. Wir haben 55.000 Studierende aus der EU. Wenn alle 55.000 ungefähr 10.000 Euro im Jahr ausgeben, dann sind das 550 Millionen Euro. So viel könnten wir an Studiengebühren gar nicht verlangen, um diese Wertschöpfung ökonomisch auszugleichen.

Es gibt den Vorwurf, ausländische Studenten nehmen den Österreichern Plätze weg. Warum keine Positivdiskriminierung?

Ich möchte den Fachkräftemangel ins Spiel bringen. Ausländische Studierende sind ideale Zuwanderer, denn sie erlernen nicht nur eine hohe Qualifikation, sondern auch meistens Deutsch. Außerdem werden sie in Österreich sozialisiert. Drei Viertel der Absolventen bleiben. Sie sind nicht nur eine Bereicherung, sondern auch ein volkswirtschaftlicher Gewinn. Das unterscheidet sie von Autos, die von A nach B fahren.

Was hat Hofer zu der Aussage bewogen?

Das war sicherlich eine Spontanmeinung aus einer gewissen Enttäuschung heraus. Man muss das nicht überbewerten.

Wie geht es Ihnen mit dem „Österreich zuerst“-Ansatz der FPÖ?

Das hat nichts mit der Parteizugehörigkeit zu tun, sondern ist der Kurzfristigkeit der politischen Argumentation geschuldet. Wir sollten lieber wie beim Schachspielen zwei, drei Schritte vorausdenken.

Eine Entfremdung zu FPÖ-Ministern gibt es nicht?

Wenn freiheitlich im Sinne von liberal verstanden wird, dann sehe ich überhaupt keine Entfremdung.

Sie sind der Einzige in der Regierung, der offen sagt, dass Österreich ein Einwanderungsland ist.

Das weiß ich nicht, ob ich der Einzige bin. Ich weiß nur eines: Wir haben jetzt bereits einen Fachkräftemangel, und der wird stärker werden, wenn die Babyboom-Jahrgänge in Pension gehen. Spätestens dann wird sich die Notwendigkeit einer qualifizierten Zuwanderung stellen. Zuwanderung ist nicht die alleinige Lösung, aber Zuwanderung ist ein Teil eines politischen Lösungskatalogs, um den demografischen Wandel zu bewältigen.

In diesen Tagen werden die Zeugnisse verteilt und es herrscht in der moslemischen Community große Aufregung, weil beim islamischen Religionsunterricht nicht mehr „Islam“, sondern „IGGÖ“ geschrieben steht. Warum ist das so?

Ich verstehe, dass das Religionsbekenntnis „IGGÖ“ keine sehr sprechende Bezeichnung ist. Wir haben eine ausdifferenzierte islamische Szene. Auch die Aleviten beanspruchen, Teil des Islams zu sein. Das ist die Folge des Islamgesetzes.

Ist das letzte Wort schon gesprochen?

Nein, ich warte auf vernünftige Vorschläge, auch vonseiten der IGGÖ. Wir werden zu einer präzisen Beschreibung schon kommen.

Letzte Frage: Wann kommen die Herbstferien? Heuer oder 2020?

Für 2019 haben wir eine Übergangsregelung eingebaut, die es den Bildungsdirektionen ermöglicht, einheitliche Ferien zu verordnen. 2020 werden sie realisiert. Der Wunsch sowohl der Bundesländer als auch der Beteiligten, dass der zuständige Fachminister ein Machtwort spricht, ist unüberhörbar.

Würden Sie öfters gern ein Machtwort sprechen dürfen?

(lacht) Ich bin kein Machiavelli, der ununterbrochen Machtworte sprechen will.