Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bei ihrer Rede am Dienstag im Europarlament in Straßburg für die Schaffung einer EU-Armee ausgesprochen. "Eine gemeinsame Armee würde der Welt zeigen, dass es in Europa nie wieder Krieg gibt", so Merkel. Diese Armee sei auch nicht gegen die NATO gerichtet, so Merkel. Zudem sagte sie, die EU solle auch eine gemeinsame Rüstungspolitik entwickeln.

Europa müsse langfristig außenpolitisch handlungsfähig werden, forderte Merkel. So habe sie vorgeschlagen, einen europäischen Sicherheitsrat einzurichten und eine europäische Eingreiftruppe zu schaffen. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, sind vorbei."

Beim Migrationsthema müssten gemeinsame Wege gefunden werden. Im Rückblick sei es sicher leichtfertig gewesen, einen Schengenraum zu schaffen und erst jetzt ein Einreiseregister zu entwickeln, so Merkel. So sei es wichtig, Frontex zu entwickeln, "auch hier müssen wir ein Stück weit auf nationale Kompetenzen verzichten", forderte sie. Merkel sprach sich auch für ein europäisches Asylsystem aus, da sich nur so die Sekundärmigration verhindern lasse.

Europa mache die Vielfalt aus, so Merkel. Die Toleranz sei die Seele Europas und ein unverzichtbarer Grundwert der europäischen Idee, verlange aber auch Solidarität, ohne die es nicht gehe. "Wir unterstützten einander im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, im Kampf gegen Naturkatastrophen und haben Rettungsschirme aufgespannt um den europäischen Staaten zu helfen", so Merkel.

Der Brexit werde einen tiefen Einschnitt darstellen, so Merkel. Auch könne Europa als Rechtsgemeinschaft nur bestehen, wenn das Recht überall eingehalten wird. Zudem könne der Euro als Währung nur funktionieren, wenn jeder Staat die Haushaltsregeln einhalte. Merkel sprach sich auch für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion aus, mit der Entwicklung einer Bankenunion und einer europäischen Einlagensicherung. Zuvor müssten die EU-Staaten aber ihre Aufgaben erfüllen.

"Wir dürfen die europäische Chance nicht vertun", so Merkel. Dazu gelte es, Herausforderungen wie die Digitalisierung und den Kampf gegen den Klimawandel zu bewältigen. "Nationalismus und Egoismus dürfen nie wieder eine Chance in Europa haben, sondern Toleranz und Solidarität sind unsere gemeinsame Zukunft und es lohnt, sich dafür zu mühen."

Die EU-Abgeordneten zeigten sich in großer Mehrheit erfreut und spendeten Merkel viel Beifall. Buhrufe quittierte Merkel so: "Ich freu mich daran, ich lasse mich da nicht irritieren, ich komme auch aus dem Parlament". EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani meinte dazu, es werde hier wohl ein Tierarzt im Parlament gebraucht.

Juncker: "Geschichte wird Merkel recht geben"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat am Dienstag im EU-Parlament gemeint, er sei mit der Rede der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel "massivst einverstanden". Merkel habe auch Recht gehabt, dass sie die Grenzen bei der Flüchtlingskrise nicht geschlossen habe, so Juncker. "Der CSU-Applaus könnte weniger spärlich sein", so Juncker süffisant. Die Geschichte, werde Merkel recht geben.

Zum Brexit meinte der Kommissionspräsident, dass die EU keine Bestrafungsaktion für Großbritannien wolle. "Wir sind nicht in aggressiver Stimmung, wenn es um Großbritannien geht", so Juncker. Großbritannien habe schon 1939 eine überaus wichtige Rolle gespielt, als es darum ging, Europa zu befreien.

Europa brauche auch "eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit Afrika", forderte Juncker. Der Kontinent bleibe eine große Chance für Europa. "Europa ist auch von Afrika abhängig", daher müsse mehr getan werden.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani forderte zuvor mehr Mitspracherecht des Parlaments beim Budget. Tajani zeigte sich zuversichtlich, dass es möglich sei, "noch dieses Jahr eine Reform des Dublin-Systems zustande zu bringen". Auch er sprach sich für mehr Geld für Afrika, eine wirtschaftliche Zusammenarbeit und eine europäische Verteidigungspolitik aus.

Merkel, die im Rahmen des Catch-the-eye-Verfahrens die Gelegenheit bekam, auf die Redebeiträge der Abgeordneten zu antworten, betonte, beim Brexit sei es außerordentlich wichtig, "in welchem Geist wir das tun". Denn das werde über Jahrzehnte entscheiden, "welche Partnerschaft wir in Zukunft mit Großbritannien haben werden", so Merkel.

Deutschland sei ein großes Land mit 80 Millionen Einwohnern und wirtschaftlich stark, so Merkel. Daher "müssen wir vielleicht vorsichtiger sein in manchen Dingen", so Merkel. Auch gebe es über 90 offene Verfahren des EuGH gegen das Land, Deutschland habe aber immer alle Urteile akzeptiert.

Nord Stream verteidigte Merkel, da Gas für den Ausstieg aus der Kohle und der Atomenergie als "Brückentechnologie" wichtig sei. Deutschland setze daher auf eine Diversifizierung der Quellen und werde auch einen LNG-Terminal bauen, so Merkel. Sie plädiere auch dafür, dass die Ukraine als Transitland nicht ausgeschlossen werde. Ein vollkommene Unabhängigkeit von russischem Gas, könne sich Europa aber nicht leisten.

Deutsche Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga verteidigte Merkel. So sei es gelungen, die Vernichtung des Volkes der Yeziden zu verhindern. Auch sei es richtig, afrikanische Staaten, die gegen Terroristen kämpfen wollen, zu unterstützen.

Ein Fehler sei es gewesen, nicht rechtzeitig darauf zu reagieren, dass Flüchtlinge aufgrund der Kriege in Syrien und Irak nicht ausreichend vor Ort versorgt worden seien und sich dann auf den Weg gemacht hätten. Doch die "Aufnahme von 1,5 Millionen Menschen bei einer europäischen Bevölkerung von 500 Millionen", könne die Handlungsfähigkeit Europas nicht beeinträchtigen.