Die EU will bis 2020 eine Grenzpolizei mit 10.000 Mann aufbauen, die im Rahmen der bestehenden Agentur Frontex die Außengrenze weitgehend absichert. Das kündigte der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos (Griechenland) nach dem informellen Treffen der EU-Innenminister in Innsbruck an.

Auf drei Punkte haben sich die Minister demnach geeinigt:

1) Besserer Schutz der EU-Außengrenzen durch eine richtige Grenzpolizei. Bis 2020 kommen 10.000 Grenzschutzpolizisten. Auch Lücken in der technischen Ausrüstung werden beseitigt. Die EU stellt entsprechend Geld zur Verfügung.

2) Bessere Zusammenarbeit mit Partnerstaaten außerhalb der EU. Nach wie vor diskutiert werden "Ausschiffungs-Plattformen", an die ankommende Asylsuchende verwiesen werden. Die EU bietet den Partnerländern finanzielle Unterstützung an. Einen "deus ex machina" habe man bei diesem Punkt leider nicht gefunden, so Avramopoulos.

3) Es soll ein "koordiniertes europälsches Asyl- und Rückkehrsystem" geben, das die Rückkehr derjenigen, die kein Bleiberecht haben, effektiver durchsetzt. Avramopoulos: Die Genfer Konvention und alle internationalen Standards würden respektiert. Dazu der Kommissar: Keinem Staat werde etwas aufgezwungen, weder in Europa noch außerhalb Europas. "Unsere Nachbarn sind unsere Partner, wir stehen vor den gleichen Herausforderungen."

Kickl: "Krisenfeste Sicherheitsunion"

Österreichs Innenminister Herbert Kickl präsentierte weitere Details und gab sich zuversichtlich, im kommenden Halbjahr unter Österreichs Führung Lösungen zu erreichen. Konkret habe man sich geeinigt auf  "Maßnahmen in den Herkunfts- und Transitländern", und zwar inklusive einem effektiven Grenzschutz auch dort. Es solle ein "System des Anreizes und der Sanktionen" entwickelt werden - etwa bei der Verweigerung der Rücknahme von ausreisepflichtigen Staatsangehörigen eines Herkunftslandes.

"Die Ausschiffungsplattformen sind so aufzusetzen, dass alles rechtlich korrekt passiert, aber auch so, dass wir alles unternehmen, um weitere Pull-Faktoren zu verhindern, die von solchen Plattformen ausgehen", sagte Kickl. Es gehe um eine "krisenfeste Sicherheitsunion" und damit auch um Bürgernähe: "Vieles von dem, was wir heute diskutiert haben, ist deckungsgleich mit dem, was viele Menschen als einen Normalzustand in der Asyl- und Migrationspolitik bezeichnen würden."

Vor und während des Treffens hatte es durchaus unterschiedliche Akzente in der Debatte gegeben. EU-Innenkommissar Avramopoulos sprach vor Beginn des Treffens von einem "Moment der Verantwortung - jetzt liegt es an uns, zu liefern". Der Geist der Gespräche in Innsbruck sei dem Vernehmen nach "sehr, sehr positiv", meinte Avramopoulos in Anspielung auf ein gemeinsames Frühstück der Innenminister Kickl (Österreich), Horst Seehofer (Deutschland) und Matteo Salvini (Italien).

Flüchtlingsrückkehrzentren in Drittstaaten

Angesprochen auf seine Kritik am österreichischen Vorschlag zur Einrichtung von Flüchtlingsrückkehrzentren in Drittstaaten außerhalb der EU antwortete der EU-Innenkommissar diplomatisch. Er habe diese Idee nicht kritisiert, sondern nur mit einer Gegenfrage reagiert: "Gibt es irgendein Land, das gewillt ist, diese Zentren auf seinem Boden zu errichten? Mir ist bisher keines bekannt", so der Grieche. Die "Vision" Kickls, keinen Asylantrag mehr auf europäischem Boden zuzulassen, kommentierte Avramopoulos zurückhaltend. "Sehr schwer zu implementieren. Wir sind alle an die Genfer Flüchtlingskonvention und die europäischen Grundwerte gebunden." Für alle Ideen und Vorschläge, die dies berücksichtigen, sei die EU-Kommission offen.

Weniger diplomatisch kommentierte der auch für Migration zuständige luxemburgische Außenminister Jean Asselborn die derzeitige Stoßrichtung der EU-Asylpolitik. Er wisse, dass der Tenor auf Außengrenzschutz und Abschottung stehe. "Es ist mir bange um ein Europa, das nur auf Außengrenzschutz setzt", so Asselborn der als einer der letzten Liberalen in der Flüchtlingspolitik gilt. Es gebe auch 2018 noch verfolgte Menschen. Selbstverständlich brauche es Grenzschutz, aber Europa müsse auch Solidarität zeigen und Menschen aufnehmen. "Es gibt Menschen, die aufgrund der Genfer Konvention verfolgt sind, und diese Menschen gehören nach Europa."

Kein Recht, die Genfer Konvention außer Kraft zu setzen

Österreichs jüngste Vorschläge für Rückkehrzentren kritisierte Asselborn scharf. "Wenn man die Präsidentschaft hat, auch Österreich, dann muss man wissen, dass man sich nicht ergötzen kann in nationalen Vorstößen, sondern alles tun muss, damit Europa zusammenbleibt. Zentren außerhalb Europas darf kein Thema sein für zivilisierte Europäer." Und Asselborn weiter: "Keine Präsidentschaft hat das Recht, die Genfer Konvention außer Kraft zu setzen. Die Genfer Konvention sagt ganz klar, dass wenn Menschen, die verfolgt werden, in Europa nach Schutz fragen, diesen Schutz bekommen müssen. Alles andere sind Erklärungen oder Zeitungsinterviews, die vielleicht innenpolitisch dienen, aber die bringen uns in Europa nicht voran. Wenn Europa die Genfer Konvention nicht respektiert, respektiert es nicht den Lissabonner Vertrag."

Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zeigte sich vor Beginn des Treffens dennoch "sehr, sehr entschlossen und motiviert, die Dinge rasch voranzutreiben". Es handle sich schließlich um eine "Schicksalsfrage" für Europa. Einen konkreten Zeitplan für Maßnahmen wie den Ausbau des Grenzschutzes, Rückkehrzentren oder Ausschiffungsplattformen in Drittstaaten nannte Kickl nicht. Man dürfe "nicht zu viel Zeit verlieren", so Kickl.

In einem Sitzungsdokument, das der Innenminister seinen Kollegen am Donnerstag vorlegte, heißt es, dass die EU bei Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen bis 2025 die "volle Kontrolle" und den "umfassenden Schutz" der Außengrenzen sicherstellen könnte. Kritik an seinem Vorschlag, für Flüchtlinge Rückkehrzentren in Drittstaaten einzurichten, hielt Kickl für "nicht angebracht".

Außengrenzschutz, Stopp der illegalen Migration und Schlepperbekämpfung

Auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer forderte, dass nach den Beschlüssen beim Europäischen Rat Ende Juni "jetzt konkrete Schritte folgen". Außengrenzschutz, Stopp der illegalen Migration und Schlepperbekämpfung nannte Seehofer als zentrale Ziele. Das Problem der Binnenmigration, das die deutsche CDU-CSU-Partnerschaft fast gesprengt hätte, will der CSU-Politiker bis Anfang August geklärt haben. Bis dahin will Seehofer ausloten, ob Griechenland und Italien zu bilateralen Abkommen zur Rücknahme von Migranten bereit sind.

Über die aktuelle Dynamik in der Asylpolitik zeigte sich Seehofer erfreut. "Je mehr europäisch gelingt, insbesondere an der Außengrenze, desto weniger sind nationale Maßnahmen notwendig. Aber der Umkehrschluss gilt auch: Je weniger europäisch gelingt, desto mehr muss man dann national Vorkehrungen treffen." Auf die Frage, ob er die erfolgte Dynamik als sein Verdienst sehe, meinte der deutsche Innenminister: "Zeugnisse, die man sich selber ausstellt, sind nie gut. Das müssen Sie machen."

Italiens Innenminister Matteo Salvini sprach sich ebenfalls für Verschärfungen in der Migrationspolitik aus. Unterstützung für den Kurs von Österreich, Deutschland und Italien gab es auch vom zuständigen belgischen Staatssekretär Theo Franken. Langfristig seien Ansiedlungsprogramme für Flüchtlinge besser als Asylanträge auf europäischem Boden, und in punkto Flüchtlingszentren in Nordafrika meinte Franken, dass, wenn man ein Abkommen mit der Türkei geschafft hat, man das auch mit anderen Ländern schaffen könne. Andere Länder wie Frankreich oder Portugal plädierten in Innsbruck für gemeinsame europäische Lösungen auf der Basis von EU-Recht und sprachen sich gegen nationale Alleingänge aus. Migration sei ein europaweites Problem und nicht nur das einiger Länder, erklärte etwa der portugiesische Innenminister Eduardo Cabrita.

Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga, die als Gast an dem Treffen teilnimmt, beurteilte die Vorschläge zur EU-Asylpolitik kritisch. Es handle sich um alte Ideen. "Und bis jetzt sind diese Ideen ja immer auch an der Umsetzung gescheitert", meinte die sozialdemokratische Politikerin.