Deutschland hat mit Griechenland und Spanien am Rande des EU-Gipfels eine politische Vereinbarung über die Rücknahme von Migranten abgeschlossen. Griechenland und Spanien sind laut Bundeskanzlerin Angela Merkel bereit, Flüchtlinge, die in diesen Ländern erstregistriert wurden, und an der deutsch-österreichischen Grenze abgewiesen werden, zurückzunehmen.

Wird bei der Grenzkontrolle ein Eintrag im Fingerabdrucksystem Eurodac registriert, dann nehmen die beiden Ersteinreiseländer diese sogenannten Dublin-Fälle zurück. Kein "konkreten Absprachen" gibt es bisher mit Italien. "Das ist zu akzeptieren", sagte Merkel nach dem EU-Gipfel in Brüssel.

Darüber hinaus hat die deutsche Kanzlerin mit etlichen weiteren Ländern Gespräche über Verwaltungsvereinbarungen zur schnelleren und effizienteren Verfahrensabwicklung geführt. Einige Länder seien zu Abkommen mit Deutschland bereit, diese müssten nun von den jeweiligen Innenministern Deutschlands und der Partnerländer im Detail ausgearbeitet werden.

Merkel ließ anklingen, dass sie damit die Forderungen ihres Koalitionspartners CSU sowie von Innenminister Horst Seehofer weitgehend erfüllt sieht. "Das was in dieser Zeit zu schaffen war, haben wir geschafft", meinte Merkel. Die angespannte innenpolitische Situation in Deutschland, sei in Brüssel sogar "Antrieb und Ansporn" für die Suche nach Lösungen gewesen und habe in den vergangenen Tagen zu einer Beschleunigung in Sachen Migrationspolitik geführt.

Einigung auf dem Gipfel

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich beim EU-Gipfel auf eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik geeinigt. Von der Migration besonders betroffene Staaten wie Italien, Griechenland oder Spanien sollen zudem auf freiwilliger Basis von Flüchtlingen entlastet werden, so die Kompromissformel nach einer nächtlichen Marathonsitzung. Daneben wird der Schutz der EU-Außengrenzen verstärkt.

Es dauerte bis 4.34 Uhr, ehe EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel via Twitter eine Einigung verkündete, die mehrmals an der Kippe stand. Italien hatte mit einem Veto gedroht, falls es in der Frage der Flüchtlingsverteilung nicht endlich zu Taten kommt. Frankreich schlug darauf hin unter dem Motto Solidarität in Abstimmung mit Italien freiwillige Zentren für Flüchtlinge innerhalb der EU vor. Von dort sollen Flüchtlinge freiwillig auf andere EU-Staaten verteilt werden können.

Nachdem eine Reform des Dublin-Verfahrens, wonach das Ersteinreiseland für Registrierung und Asylverfahren von Migranten zuständig ist, derzeit keine Chance auf Umsetzung hat, war der Ansatz der Freiwilligkeit der kleinste gemeinsame Nenner.

Erstmals enthält eine Gipfelerklärung das Ziel zur Schaffung von Flüchtlingszentren in Staaten außerhalb der EU. Flüchtlinge sollen künftig im Mittelmeer abgefangen und in sogenannte Anlandeplattformen nach Nordafrika zurückgebracht werden. Daneben einigten sich die Staats-und Regierungschefs auch auf einen verstärkten Schutz der Außengrenzen. Frontex soll bereits bis 2020 personell und finanziell aufgestockt werden. Für Afrika wird es darüber hinaus mehr Geld geben. Der EU-Treuhandfonds für Afrika wird aufgestockt, von bis zu 500 Mio. Euro war in Ratskreisen die Rede. Weiters wurde die Auszahlung der zweiten Tranche an die Türkei beschlossen, die für ein Flüchtlingsrücknahmeabkommen mit der EU zwei mal 3 Mrd. Euro erhält.

In die Gipfelerklärung aufgenommen wurde auch ein von Österreich unterstützter Vorschlag Maltas, wonach Schiffe von NGOs und Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer unterwegs sind, um Flüchtlinge aus Seenot zu retten, künftig aus den libyschen Küstenregionen verbannt werden sollen. Bei Verstößen soll es Maßnahmen geben. Die libysche Küstenwache soll zugleich dabei unterstützt werden, Flüchtlinge bereits in libyschen Hoheitsgewässern abzufangen und nach Nordafrika zurückzubringen.

"Harte Diskussion"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bewertete die Beschlüsse positiv. "Wir sind froh, dass es jetzt endlich einen Fokus auf die Außengrenzen gibt", sagte Kurz. Die Einigung sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung". Laut Kurz gab es eine "lange und harte Diskussion", und es gebe noch immer sehr unterschiedliche Zugänge zur Migrationspolitik. Auf verpflichtende Quoten bei der Flüchtlingsverteilung habe man sich jedenfalls nicht einigen können. Und punkto Freiwilligkeit stellt der Kanzler klar, dass sich Österreich nicht an einer Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU beteiligen werde. Österreich habe bereits überproportional viele Menschen - "deutlich mehr als andere Staaten" - aufgenommen. Es gehe vielmehr darum, den Zustrom zu reduzieren.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich nach der Einigung optimistisch. Man hatte zwar "viel zu tun, die verschiedenen Sichtweisen zu überbrücken, die gute Botschaft ist, dass wir einen gemeinsamen Text verabschiedet haben". Im Zusammenhang mit den geplanten Flüchtlingszentren außerhalb der EU betonte Merkel, dass es wichtig sei, diese Plattformen in Zusammenarbeit mit dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, der International Migration Organisation (IMO) und den betroffenen Staaten zu errichten. "Wir wollen in Partnerschaft mit Afrika arbeiten."

In Sachen Sekundärmigration innerhalb Europas habe man eine stärkere Ordnung und Steuerung vereinbart, berichtete Merkel. Klar sei, dass alle sich an Regeln halten müssten und sich kein Asylbewerber einen EU-Staat aussuchen dürfe. 5 von 7 der Dossiers aus dem Asylpaket seien inzwischen geklärt. "Jetzt wird bei der österreichischen Präsidentschaft noch eine große Zahl an Aufgaben liegen." Am Rande des Gipfels führte die deutsche Kanzlerin mit mehreren Ländern auch Gespräche über bilaterale Abkommen zur Rückführung von in Deutschland gelandeten Dublin-Fällen. Die CDU-Chefin will mit solchen Vereinbarungen den innerdeutschen Koalitionsstreit mit der Schwesterpartei CSU entschärfen.

Zufrieden zeigte sich Italiens Regierungschef Giuseppe Conte, der den EU-Gipfel mit seiner Blockadehaltung fast zum Scheitern brachte. "Italien ist nicht länger allein", sagte Conte.

Neben der Migrationspolitik verständigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs Freitagfrüh im Zusammenhang mit dem Ukraine-Russland-Konflikt auch noch auf die abermalige Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate.